Neuer Enzym-Hemmer verbessert AML-Therapie

Arzneimittel
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Akute myeloische Leukämie: Studie belegt erstmals Wirksamkeit von Tyrosinkinase hemmenden Medikament

Eine Studie von 25 deutschen Kliniken, darunter das Universitätsklinikum der FAU, belegt die Wirksamkeit des Enzym-blockierenden Wirkstoffs Sorafenib bei jüngeren Patienten mit einer Akuten Myeloischen Leukämie (AML) erstmalig in einer vergleichenden Studie. An diesem Forschungsprojekt nahmen insgesamt 267 Patienten teil, die in den 25 Kliniken behandelt wurden. Den in Tabletten enthaltenen Wirkstoff erhielt die Hälfte der Probanden zusätzlich zur Standard-Chemotherapie, die Patienten bekamen.  Die andere Hälfte bekam ein Placebo. Die Ergebnisse der auf drei Jahre angelegten Beobachtungszeit sind eindeutig: Die Überlebensrate ohne ein Neuauftreten von AML war bei denjenigen, die den zusätzlichen Wirkstoff Sorafenib einnahmen, um mehr als 18 Prozent höher als in der Vergleichsgruppe.

Enzym-blockierende Wirkstoffe eröffnen der Krebstherapie völlig neue Perspektiven

Die Enzym-blockierende Wirkstoffe nutzen gezielt die Schwachstellen von Tumorzellen aus, die weniger differenziert und damit unreifer als normale Zellen des menschlichen Organismus sind. Gleichzeitig teilen sie sich schneller. Auf der Basis dieser Erkenntnisse haben Wissenschaftler in den vergangenen Jahren Wirkstoffe entwickelt, die bestimmte für die Vermehrung von Krebszellen verantwortliche Enzyme blockieren und damit das Tumorwachstum bremsen oder unterbinden. Einer dieser Wirkstoffe – Sorafenib – hemmt eine Gruppe von Enzymen, die Tyrosinkinasen heißen. Er ist bereits zur Behandlung bösartiger Tumore in Leber, Niere und Schilddrüse zugelassen. Diese Tyroskinkinase-Hemmer (TKI) werden in der Regel zusätzlich zur herkömmlichen Chemotherapie eingesetzt, die die Krebszellen an sich vernichten soll. Da diese sogenannten Zytostatika in der Regel nicht alle Zellen erreichen, wirken die Enzym-blockierende Wirkstoffe als wichtige Ergänzung, um ein erneutes Tumorwachstum zu bremsen oder ganz zu stoppen.

Die Entwicklung dieser gezielt wirksamen Wirkstoffe haben die Lebenserwartung bei einigen Leukämieformen deutlich verbessert

Der Nutzen von TKI ist bei der chronischen myeloischen Leukämie sowie der akuten lymphatischen Leukämie bereits belegt, die Bedeutung in der Therapie der akuten myeloischen Leukämie (AML) war jedoch bisher ungeklärt. Erkenntnisse über verschiedene, die Krankheit verursachenden Mutationen, haben Forscher dazu bewogen, die Wirksamkeit des Sorafenib für diese Form des Blutkrebses zu untersuchen. Sorafenib blockiert mehrere Enzyme, die das Wachstum von Leukämiezellen eigentlich stimulieren. Um die Sicherheit und Wirksamkeit von Sorafenib zu untersuchen, initiierte das Dresdner Uniklinikum eine Studie im Rahmen der von ihm geleiteten „Studienallianz Leukämie“. Daran beteiligten sich Ärzte aus 25 deutschen Kliniken, die dafür 267 AML-Patienten im Alter zwischen 18 und 60 Jahren rekrutierten. Der Lehrstuhl für Hämatologie/Internistische Onkologie an der FAU von Prof. Dr. Andreas Mackensen war wesentlich daran beteiligt.

In Ergänzung zur üblichen Standardtherapie erhielten 134 Studienteilnehmer Sorafenib und 133 ein Placebo. Nach einer Beobachtungszeit von drei Jahren hatten die zusätzlich mit Sorafenib behandelten Patienten ein mittleres ereignisfreies Überleben von 20,5 Monaten und ein rückfallfreies Überleben von 56 Prozent. Im Vergleich hierzu wurde bei den Patienten mit Standardtherapie plus Placebo ein mittleres ereignisfreies von 9,2 Monaten und ein rückfallfreies Überleben von 38 Prozent registriert. „Die Behandlungskombination wurde im Allgemeinen gut vertragen; wenngleich die zusätzlich mit Sorafenib behandelten Patienten eine höhere Rate von Fieber und Hautrötungen aufwiesen“, stellte PD Dr. Christoph Röllig fest.

Weitere genetische Analysen sollen nun klären, welche Patienten besonders von der Sorafenib-Behandlung profitiert haben.

Ihr Ergebnis präsentierten die Ärzte und Wissenschaftler am gestrigen Sonntagnachmittag (Montagnacht mitteleuropäischer Zeit) auf der 56. Jahrestagung der American Society of Hematology in San Francisco. Der hohe wissenschaftliche Stellenwert des Forschungsergebnisses wird auch dadurch deutlich, dass der vom Projektkoordinatoren PD Dr. Christoph Röllig, Universitätsklinikum Dresden, gehaltene Vortrag unter 4.000 Beiträgen für die Plenumssitzung als beste klinische Studie ausgewählt wurde. Die Jahrestagung der American Society of Hematology bildet den alljährlichen Höhepunkt auf dem Forschungsgebiet der Blutkrebserkrankungen.

Beteiligte Kliniken

Westpfalz-Klinikum Kaiserslautern, Städtisches Klinikum Nord Nürnberg, St. Marien-Hospital Hamm, Universitätsklinikum Münster, Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart, Universitätsklinikum Erlangen, Klinikum Bamberg, Klinikum Chemnitz, Universitätsklinikum Heidelberg, Diakonie-Krankenhaus Schwäbisch Hall, Universitätsklinikum Würzburg, Universitätsklinikum Dresden, HSK Wiesbaden, St. Bernward Krankenhaus Hildesheim, Klinikum der Universität Regensburg, Universitätsklinikum Marburg, Diakonie-Krankenhaus Bremen, Klinikum Bayreuth, Charite Campus CBF Berlin, Städtische Kliniken Bielefeld, St. Johannes Hospital Duisburg, Diakoniekrankenhaus Rotenburg (Wümme), Universitätsklinikum Essen, Universitätsklinikum Frankfurt am Main, Universitätsklinikum Rostock

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Andreas Mackensen
09131/85-35954 (Sekretariat)
med5-direktion@uk-erlangen.de