Das Archiv vergisst nichts

Universitätsarchivar Dr. Clemens Wachter auf Streifzug durch die Geschichte der FAU. (Bild: Georg Pöhlein)
Universitätsarchivar Dr. Clemens Wachter bei einem Streifzug durch die Geschichte der FAU. (Bild: Georg Pöhlein)

Mattes Licht fällt auf mehrere Regalreihen. In ihnen unzählige Unterlagen – Urkunden, Matrikelbücher, Promotionsakten, Nachlässe von Professoren. Aufeinandergestapelt ergäbe dies einen Turm von 3,5 Kilometern Höhe – Daten aus gut 270 Jahren Universitätsgeschichte. Das Universitätsarchiv ist das Gedächtnis der FAU, seinen Platz hat es an mehreren Standorten in Erlangen und Nürnberg, einer davon ist in der Universitätsbibliothek.

Gefragte Promotionsakten

In den Archivakten finden sich beispielsweise die Unterlagen zu Persönlichkeiten wie dem Philosophen Ludwig Feuerbach und dem Politiker Ludwig Erhard. Sie haben hier studiert und gelehrt – Feuerbach in Erlangen, Erhard in Nürnberg. Auch eine Akte der in Erlangen promovierten Mathematikerin Emmy Noether existiert. „Die Promotionsakten verraten sehr viel über die Biographie der Personen, da sie in der Regel auch Lebensläufe enthalten. Hierzu erhalten wir die meisten Anfragen“, erklärt Dr. Clemens Wachter, der Archivar der FAU. Er recherchiert im Archiv zur Geschichte der Universität, zu ihren Persönlichkeiten und zu wissenschaftsgeschichtlichen Sachverhalten. Außerdem sorgt er dafür, dass exemplarisch Gegenstände archiviert werden. „Wir haben zum Beispiel auch alte Dia-Systeme im Archiv stehen, um für spätere Zeiten zu dokumentieren, wie die Vermittlung von Wissen früher funktioniert hat“, erklärt Wachter.

Umfangreiches Gedächtnis

Weitere Schätze des Archivs stellen die Nachlässe von Wissenschaftlern dar, darunter persönliche Aufzeichnungen und Notizen, Fotos, Vorlesungsmanuskripte und vieles mehr. Es kann gut sein, dass sich im Archiv noch die eine oder andere Überraschung verbirgt. Aber nicht nur die wissenschaftlichen Lichtgestalten sind im Archiv erfasst. Die FAU erinnert sich anhand der Matrikelkarteien und Beleglisten an jeden, der hier eingeschrieben war – und sei es nur für ein Semester. Die Universität hat ein umfangreiches Gedächtnis.
Grundlage hierfür ist das bayerische Archivgesetz, das auch die Universitäten dazu verpflichtet, die bei ihnen entstandenen relevanten Unterlagen aufzuheben. Damit wird auf Dauer Rechtssicherheit gewährleistet – beispielsweise für alle, die an einem Promotionsverfahren beteiligt sind.

Des Weiteren dient das Archiv der Erforschung der Wissenschaftsgeschichte. Nicht nur die Personalakten und alte Geräte, die in der Lehre eingesetzt wurden, geben einen Eindruck davon, wie Forschung und Lehre an der FAU ausgesehen hat. „Aufschlussreich sind beispielsweise auch die Rechnungsbücher, die hier aufbewahrt werden“, sagt Wachter. „In ihnen sind die Ausgaben und Einnahmen seit Universitätsgründung festgehalten. Man kann nachvollziehen, wie viel der FAU für was zur Verfügung stand. Und mit den Fakultäts- und Senatsprotokollen kann man sich schon ein gutes Bild davon machen, wie sich die Universität entwickelt hat, was als wichtig erachtet wurde und welche Richtungen eingeschlagen wurden.“

In der Zeit vor dem Internet kommunizierten unterschiedliche Studentengruppen vor allem über Zeitschriften und Flugblätter. Ab dem Ende der 1960er Jahre wurden diese im Archiv gesammelt. Sie zeigen, wie das Studentenleben damals aussah und illustrieren die politischen Themen, die die Studenten damals bewegten.

Dunkle Kapitel der Geschichte

Während man selbst unangenehme Erinnerungen gerne verdrängt, vergisst das Archiv nichts. Daher finden sich hier auch wichtige Dokumente zu dunklen Kapiteln der Geschichte, beispielsweise zum Fall des Hans Schwerte. Nach Promotion und Habilitation an der FAU lehrte er in Erlangen Germanistik und war später ein angesehener, linksliberaler Professor in Aachen. 1995 wurde bekannt, dass er in Erlangen 1946 mit einer fingierten Identität aufgetreten war und in Wirklichkeit als Hans Schneider in führender Position in Heinrich Himmlers Organisation „Ahnenerbe“ tätig gewesen war.
Ein anderes Beispiel: Als Ende der 1990er Jahre der durch die nationalsozialistische Ideologie motivierte Entzug von einst rechtmäßig erworbenen Doktorgraden aufgearbeitet wurde, waren die Archivunterlagen eine unverzichtbare Quelle. Sie halfen, dass den über 150 Betroffenen wenigstens im Nachhinein durch eine Würdigung ihrer Person Gerechtigkeit widerfahren konnte.

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Screenshot Inhaltsverzeichnis alexander 97Dieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 97: ein Interview mit Präsident Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske über 13 Jahre an der Spitze der FAU, eine Reportage über die Palliativstation des Uni-Klinikums, ein Bericht über einen neuen Geocache im Botanischen Garten sowie ein Interview mit der ARD-Korrespondentin Christine Adelhardt in Peking, die an der FAU studiert hat.