Untypisch ist normal – Diversity an der FAU

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Diversity ist das Titelthema der aktuellen alexander-Ausgabe.

Die FAU hat vier Diversity-Felder ausgemacht, auf die sie sich in den nächsten Jahren konzentrieren will

Ein Abiturient, der gleich nach der Schule an die Universität geht und Vollzeit studiert – sieht so der typische Studierende in Deutschland aus? Nicht unbedingt, denn die zunehmende gesellschaftliche Vielfalt spiegelt sich auch an den Hochschulen wider: mehr Frauen und Männer, die einen Migrationshintergrund haben, das Abitur im Ausland erworben haben, Eltern sind, Angehörige pflegen, bereits eine Ausbildung hinter sich haben, gesundheitlich beeinträchtigt sind oder parallel zum Studium arbeiten und dadurch faktisch Teilzeit studieren. Das alles kann dazu führen, dass es mit dem Studieren nicht so klappt wie gewünscht. „Doch die Frage, ob ein Studium erfolgreich ist, darf nicht von der Herkunft oder den Lebensumständen abhängen“, betont Prof. Dr. Antje Kley, Vizepräsidentin für Lehrerinnen- und Lehrerbildung und Chancengleichheit. Und deshalb beteiligt sich die FAU seit zwei Jahren an dem Diversity Audit „Vielfalt gestalten“ des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Dessen wichtigste Zielgruppe sind die Studierenden.

Ein strategischer Grundpfeiler

„Wir müssen uns nicht nur auf die steigende Vielfalt der Studierenden einstellen, sondern wir wollen diese Vielfalt vielmehr als Chance verstehen, wertschätzen und fördern“, erklärt Dr. Ebru Tepecik, Mitarbeiterin des Büros für Gender und Diversity, die an der FAU das Audit leitet. Gerade an der FAU kommen viele verschiedene Menschen zusammen – dank ihres breiten Themenspektrums, das in der deutschen Hochschullandschaft seinesgleichen sucht. Darum bildet „Vielfalt“ auch einen der drei Werte der neuen Gesamtstrategie der FAU. Daneben hat das Audit noch ein zweites großes Ziel: eine FAU-spezifische Diversitäts-Strategie entwickeln und umsetzen. Dafür kann die Universität auf das Diversity Management sowie die Arbeit an den Fakultäten aufbauen.

Insgesamt konzentriert sich die FAU im Audit auf vier Entwicklungsziele. Als übergeordnetes Ziel soll eine diversitätssensible Kultur gefördert werden. Was das konkret heißt? Dass zum Beispiel das Thema Diversität in allen zentralen Planungen und Entscheidungen stärker hervorgehoben wird und künftig auch im Leitbild der FAU einen prominenteren Platz einnimmt. Oder dass es öffentliche Vorträge gibt, die sich mit Vielfalt auseinandersetzen. Der zweite Bereich befasst sich mit Chancengleichheit und der Teilhabe studentischer Gruppen, die unterrepräsentiert sind. Hier gilt es, bessere Informationen beispielsweise darüber anzubieten, welche flexiblen Studienformen existieren oder welche Unterstützung es gibt. Ein weiterer Schwerpunkt ist eine diskriminierungsfreiere Studien- und Arbeitsumwelt. Dafür wird aktuell analysiert, an wen sich Studierende mit ihren Fragen wenden – an ihre Dozentinnen und Dozenten, die Studienberatung oder an andere Anlaufstellen wie den psychosozialen Beratungsdienst des Studentenwerks. Das vierte Handlungsfeld, auf das sich die FAU konzentriert: interne Kommunikation und Partizipation. „Zum einen soll das Thema an sich, die Aufgaben, die Strategie, sichtbarer werden, zum anderen geht es um die Bündelung der vielfältigen Angebote, die es im Bereich Diversity bereits gibt und in Zukunft geben wird“, erläutert die Vizepräsidentin. Ein aktuelles Beispiel: der Fotowettbewerb „Diversity: Call for Photos“ für Studierende – was bedeutet für sie Vielfalt im Unialltag? Bis Ende des Jahres soll das Audit abgeschlossen sein, das Thema Diversität wird die FAU aber sicher noch länger beschäftigen. Und nicht nur bis alle wissen, dass der typische Studierende gar nicht mehr so typisch ist.

Wir haben vier Mitglieder des Diversity Audits gefragt, warum ihnen das Thema Vielfalt wichtig ist und was sie sich für die FAU in den nächsten Jahren wünschen.

Berrin Tezcan beschäftigt sich in der FAU-Verwaltung mit dem Thema Personalentwicklung

Portrait Berrin Tezcan
Foto: Fotostudio Lichtmalerei

Ich halte das Diversity Audit für wichtig, weil wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld ermöglichen wollen, wo sie unabhängig von deren Hintergrund ihr Leistungspotenzial entfalten können. Dafür wollen wir unsere Personalpolitik und Praktiken so gestalten, dass diese Unterschiedlichkeiten anerkannt, wertgeschätzt und gefördert werden. Die Vielfältigkeit betrachten wir als Chance und Potenzial für die Universität. Für den Fortschritt an und die Weiterentwicklung der FAU ist es essenziell, dass kompetente Köpfe für gemeinsame Ziele zusammenarbeiten. Allein die Kompetenz einer Person sollte also wichtig sein, ebenso wie eine entsprechende Organisationskultur sowie Formate, die die Vielfalt fördern. An der FAU haben wir eigentlich eine sehr bunte Mischung. Ich wünsche mir, insbesondere durch kulturelle Veranstaltungen und Projekte davon viel mehr zu erleben. Im Hinblick auf das Personalmanagement ist es wichtig, dass wir ganzheitliche, transparente und verbindliche Personalverfahren haben, die sich an Vielfalt und Chancengleichheit orientieren.

Prof. Dr. Peter Bubmann ist Professor für Praktische Theologie und im Vorstand des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung (ZfL)

Bubmann im Restaurant
Bild: Wolfgang Schuhmacher

Als evangelischer Theologe beschäftige ich mich schwerpunktmäßig mit Fragen von Gemeinde und Kirche sowie mit allen Bildungsfragen. Mir liegt daran, die Vielfalt der Milieus, der Herkunft und Bildungsgrade, der Altersstufen, Lebensformen und geschlechtlichen Identitäten und natürlich der religiösen Prägungen als Aufgabe der Gemeinschaftsbildung zu begreifen. Aktuell treibt mich einerseits die Frage um, wie die verschiedenen Religionsgemeinschaften und weltanschaulichen Gruppierungen konstruktiv im Leben einer Universität miteinander umgehen und so ein friedliches Miteinander exemplarisch einüben können. Zum anderen ist mir die Wahrnehmung der Vielfalt sexueller Orientierungen und geschlechtlicher Identitäten ein Anliegen. Wenn ich als Theologe konstruktiv mithelfen kann, die auch kirchlich bedingte Diskriminierung von Frauen und sexuellen Minderheiten zu beenden, will ich das gerne tun. Drittens liegt mir daran, die unterschiedlichen kulturellen Prägungen und die Vielfalt der ethnischen Herkunft positiv als Gewinn für unsere FAU zu verstehen und zu fördern. Das Diversity Audit kann der FAU einen Schub geben, die Universität als Ort der Begegnung in Vielfalt und gerechter Teilhabe erfahrbar zu machen.

Matthias Emmert studiert Arabistik-Semitistik und engagiert sich im Referat gegen Diskriminierung und Rassismus der Studierendenvertretung (Stuve)

Emmert vor Schwarzem Brett
Bild: FAU/Franziska Sponsel

Schon länger habe ich mich mit dem Thema Diversity beschäftigt. Als sich für die Stuve die Möglichkeit eröffnete, sich am Diversity Audit zu beteiligen, habe ich sofort „zugeschlagen“. Insgesamt gilt: Die Studierendenschaft ist an der FAU ohnehin schon sehr divers. Dass dies eine verstärkte Aufmerksamkeit erhält, ist daher nur folgerichtig. Das Audit hat bereits einige Dinge angestoßen, doch darf die FAU an dieser Stelle nicht stehenbleiben. Wo es möglich ist, muss die Universität noch mehr gegen eine mögliche Benachteiligung aufgrund geschlechtlicher Identität, sozialer oder ethnischer Herkunft, Nationalität, sexueller Orientierung, Behinderung oder Betreuungspflichten unternehmen. Damit ist auch verbunden, Vorurteile abzubauen und so einer möglichen Diskriminierung den Boden zu entziehen. Um das zu erreichen, muss das Thema in seiner komplexen Struktur und den Auswirkungen noch mehr in das Bewusstsein von Studierenden und Beschäftigten gerückt werden. Nur so kann an der FAU langfristig eine diskriminierungsfreie Umgebung entstehen, wo wirklich alle dieselben Erfolgschancen besitzen.

Dr. Brigitte Perlick arbeitet in der FAU-Verwaltung und ist Leiterin des Referats für Internationale Angelegenheiten

Perlick im Flur mit Akten
Bild: FAU/Georg Pöhlein

Während früher die Universität von sehr bildungsnahen Personenkreisen besucht wurde und alle Prozesse „stromlinienförmig“ verlaufen konnten, ist sie heute Sammelbecken von Personen mit sehr verschiedenem Hintergrund. Die Möglichkeiten und Bedürfnisse, die jeder mitbringt, sind äußerst heterogen. Diesen veränderten Ansprüchen muss die Universität von heute gerecht werden. Wir müssen die Studierenden und Wissenschaftler dort „abholen“, wo sie sind, auch von ganz verschiedenen, kulturellen Positionen. Gerade diese Vielfalt an der Universität macht die tägliche Arbeit und das Miteinander so spannend. Es sind nicht nur die unterschiedlichen Fachkulturen, denen ich begegne, sondern Studierende sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – gleichermaßen aus dem Aus- wie Inland – bringen eine Vielfalt unterschiedlicher Lebenserfahrungen, Ansichten, Meinungen und Pläne mit. Es macht Freude, sich damit auseinanderzusetzen. Was ich mir wünsche, ist mehr Offenheit und Respekt für Neues und Anderes und mehr Respekt gegenüber Anderen. Wichtig wäre mir mehr Zeit zum Dialog zu haben, um auf die verschiedenen Bedürfnisse besser eingehen zu können.

Prof. Dr. Thorsten Piske ist Professor für Fremdsprachendidaktik mit Schwerpunkt Didaktik des Englischen und Diversity-Beauftragter der Philosophischen Fakultät und Fachbereich Theologie

Portrait Piske
Bild: Knöpfle Photographie

Der Umgang mit Vielfalt ist heute unerlässlich, in der Lehre, Forschung und der Verwaltung. Dabei muss sich gedanklich teilweise noch stärker durchsetzen, dass die FAU eine international ausgerichtete Universität ist. Ich war selbst zwei Jahre an einer amerikanischen Universität und wurde dort unglaublich freundlich empfangen. Gleichzeitig wurde mir von Anfang an vermittelt, dass man mir die Unterstützung sofort entziehen würde, wenn ich mich nicht an die Gepflogenheiten halte. Seitdem treiben mich immer wieder die gleichen Fragen um: Welche Freiheiten habe ich an einer Universität, welche Pflichten und Grenzen? Wie kann sie einerseits offen für verschiedene Interessen sein, sie berücksichtigen, andererseits die Freiheit von Lehre und Forschung wahren?
Bei meiner Arbeit als Didaktik-Professor sehe ich deutlich, dass Lehramtsstudierende es später mit einer zunehmend heterogenen Schülerschaft zu tun haben. Darauf sind sie noch nicht ausreichend vorbereitet. Ich bin auch viel an Austauschprogrammen beteiligt. Wir können die Leute noch so intensiv sprachlich vorbereiten, aber sie müssen sich auch auf die jeweilige Kultur einstellen. Das gilt genauso für Studierende, die aus dem Ausland hierherkommen. Die Frage ist: Wie können wir sie dabei unterstützen?

Dr. Wolfgang Henning ist Leiter der Abteilung Lehre und Studium und Inklusionsbeauftragter der FAU

Henning vor Tür der Studienberatung
Bild: FAU/Franziska Sponsel

Die FAU ist eine weltoffene Universität. In unserer Abteilung haben wir uns schon immer um alle studentischen Belange gleichermaßen gut gekümmert, ohne zu wissen, dass wir damit dem Diversity-Gedanken Rechnung tragen. Dabei ist es selbstverständlich und wichtig, dass wir auf Bedürfnisse der einzelnen Personen eingehen. Wenn Studierende zu uns kommen, schauen wir uns immer den konkreten Fall an, reden über die Probleme, vereinbaren zuweilen auch Vor-Ort-Termine, suchen nach Lösungen. Denn es gibt ja ganz unterschiedliche Anforderungen seitens der Studierenden, nehmen Sie das Beispiel Barrierefreiheit. Der Begriff bedeutet nicht nur, dass Gebäude rollstuhlgerecht sind, er umfasst so viel mehr – genauso gehören Hilfen für Seh- und Hörbehinderte dazu, um nur einige Aspekte zu nennen. Ich sehe das Diversity Audit als eine Möglichkeit, um das eigene Tun gewissermaßen im Spiegel zu betrachten, auch um zu zeigen, was an der FAU schon gut läuft und was wir vielleicht in der Vergangenheit intuitiv richtig gemacht haben. Im Zuge des Audits müssen wir uns überlegen, welche offenen Punkte wir angehen wollen – und mit den verfügbaren Mitteln auch können.

 


Das FAU-Magazin alexander

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Dieser Text erschien zuerst in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe: das Bild, das wir vom Altwerden haben, das Unimusical und ein Roboter-Quartett, mit dem wir die Roboter vorstellen, an denen an der FAU geforscht wird.

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