Längere Arbeitszeiten können der Gesundheit schaden

Bild: Colourbox.de
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Forscher untersuchen Auswirkung von steigender wöchentlicher Arbeitszeit

Steigt die wöchentliche Arbeitszeit auch nur um eine Stunde, kann das den Menschen zu schaffen machen. Dieser kleine Aufwuchs reicht aus, dass Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ihre eigene Gesundheit schlechter bewerten und deutlich häufiger zum Arzt gehen. Das ist das Ergebnis einer Studie von Forschern der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU), die kürzlich im Journal „Labour Economics“ veröffentlicht wurde.

Die Studie von Prof. Dr. Christoph Wunder von der MLU und Dr. Kamila Cygan-Rehm vom Lehrstuhl für Statistik und empirische Wirtschaftsforschung an der FAU ist eine der ersten, die den Zusammenhang zwischen einer steigenden wöchentlichen Arbeitszeit und den Folgen für die Gesundheit untersucht. In deskriptiven Analysen zeigt sich zwar oft ein positiver Zusammenhang zwischen Gesundheit und Arbeitszeit, zum Beispiel, wenn gesündere Menschen auch länger arbeiten; bislang weiß man aber wenig darüber, welche kausalen Effekte eine steigende Arbeitszeit auf die Gesundheit der Menschen habe. „Das Nachweisen eines ursächlichen Einflusses einer längeren Arbeitszeit auf die Gesundheit ist empirisch sehr schwierig, da man unbeobachtete Faktoren, wie beispielsweise innere Motivation, ausschließen muss, die sowohl zu längeren Arbeitszeiten als auch zur besseren Gesundheit führen können und somit den direkten kausalen Effekt verzerren“, erklärt Dr. Cygan-Rehm.

Mehr als 12.000 Privathaushalte untersucht

Um diesen Zusammenhang genauer zu beleuchten, werteten die beiden Forscher die Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 1985 bis 2014 aus. Dabei handelt es sich um die größte und am längsten laufende Langzeitstudie, bei der seit mehr als 30 Jahren über 12.000 Privathaushalte in regelmäßigen Abständen zu ihren Lebensumständen befragt werden. Die Daten des SOEP geben zum Beispiel Auskunft über Bildung, Gesundheit, Einkommen, Erwerbstätigkeit und Lebenszufriedenheit. Da jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, lassen sich mit dem SOEP auch langfristige Trends und Reaktionen auf externe Veränderungen, wie die Arbeitszeit, nachzeichnen.

Die beiden Wissenschaftler fanden heraus, dass bereits ein Plus von einer Stunde signifikante Folgen hatte: Die selbst eingeschätzte Gesundheit der Befragten sank um zwei Prozent, während die Anzahl der Arztbesuche um 13 Prozent stieg. Besonders betroffen von diesen negativen Effekten waren Frauen sowie Familien mit jungen Kindern. „Vermutlich sind die Effekte bei diesen Gruppen stärker, weil sie außerhalb ihrer Arbeitszeit mit sehr begrenzten Zeitbudgets ausgestattet sind. Steigt die Arbeitszeit, steigt somit auch der Zeitdruck außerhalb der Arbeit“, so Prof. Dr. Christoph Wunder von der MLU.

Kleine Veränderung, große Wirkung

In die Studie flossen ausschließlich Daten von Arbeitnehmerinnen und -nehmern aus den alten Bundesländern ein, die im öffentlichen Dienst angestellt oder als Beamte tätig waren. „Beschäftigte im öffentlichen Dienst übernehmen Neuregelungen der wöchentlichen Arbeitszeit tendenziell eher als Beschäftigte in der Privatwirtschaft, die im Fall einer Änderung der tariflichen Arbeitszeit zum Beispiel Überstunden anpassen und so die wöchentliche Arbeitszeit konstant halten können. Beschäftigte im öffentlichen Dienst haben hier weniger Flexibilität“, erläutert Wunder. In den Jahren 1985 bis 1991 sank die wöchentliche Arbeitszeit zunächst von 40 auf 38,5 Stunden. Später stieg sie in Bayern und Hessen für Beamte wieder auf bis zu 42 Stunden pro Woche an. In den neuen Bundesländern gab es diese starken Schwankungen nicht. Aus der Studie lassen sich keine Aussagen zu einer optimalen Arbeitszeit ableiten. Allerdings gibt sie einen Einblick, welche Folgen bereits eine kleine Veränderung haben kann.

Zur Studie: Cygan-Rehm K. & Wunder C. Do working hours affect health? Evidence from statutory workweek regulations in Germany. Labour Economics (2018). doi: 10.1016/j.labeco.2018.05.003

Weitere Informationen:

Dr. Kamila Cygan-Rehm
kamila.cygan-reham@fau.de