Bindegewebe auf Abwegen – wenn die Organe vernarben

Doktorand Thomas Wohlfahrt (l.), Erstautor des Artikels, und Gruppenleiter Dr. Andreas Ramming vor einem Immunfluoreszenzmikroskop.
Doktorand Thomas Wohlfahrt (l.), Erstautor des Artikels, und Gruppenleiter Dr. Andreas Ramming vor einem Immunfluoreszenzmikroskop. Bild: Uni-Klinikum Erlangen/Andreas Ramming

Mediziner entdecken Eiweißmolekül, das Bindegewebszellen umprogrammiert

Die vermehrte Ablagerung von Bindegewebe ist ein Problem bei chronischen Erkrankungen vieler Organe wie der Lunge (Idiopathische Lungenfibrose), der Leber (Leberzirrhose), der Nieren (Nierenfibrose), des Darmes (Graft-versus-Host Krankheit) und der Haut (Systemische Sklerose). Bis zu 40 Prozent aller Todesfälle in Industrienationen werden durch die Ablagerung von Bindegewebe mit anschließender Gewebevernarbung verursacht. Effektive Behandlungsmöglichkeiten stehen derzeit jedoch kaum zur Verfügung. Wissenschaftler aus der Medizinischen Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie (Direktor: Prof. Dr. Georg Schett) des Universitätsklinikums Erlangen der FAU haben jetzt ein molekulares Netzwerk entschlüsselt, das diese Prozesse kontrolliert und dadurch eine neue Möglichkeit für die Therapie von Organvernarbung darstellen könnte. Die Ergebnisse zeigen, dass das Eiweiß PU.1 die krankhafte Ablagerung von Bindegewebe verursacht. Ihre Ergebnisse haben die Wissenschaftler jetzt im renommierten Fachmagazin Nature veröffentlicht.

Bei Bindegewebserkrankungen – sogenannten „Fibrosen“ wie beispielsweise der Systemischen Sklerose – kommt es durch eine überschießende Aktivierung von Bindegewebszellen zu einer Verhärtung des Gewebes und zu einer Narbenbildung innerhalb des betroffenen Organs. Diese Krankheiten können prinzipiell jedes Organsystem befallen und sehr häufig zur Störung der Organfunktion führen. Bindegewebszellen spielen bei Gesunden eine Schlüsselrolle bei der normalen Wundheilung. Kann jedoch die Aktivierung von Bindegewebszellen nicht abgeschaltet werden, kommt es zu fibrotischen Erkrankungen, bei denen massenhaft Matrix im Gewebe abgelagert wird, was zu einer Vernarbung und Funktionsstörung der betroffenen Gewebe führt. Warum diese Reparaturprozesse bei fibrotischen Erkrankungen ausarten, war jedoch bisher unklar.

Ein Wissenschaftlerteam um Dr. Andreas Ramming am Lehrstuhl für Innere Medizin III der FAU konnte nun einen molekularen Mechanismus entschlüsseln, der für die andauernde Aktivierung von Bindegewebszellen verantwortlich ist. In experimentellen Studien nahmen die Forscher das Eiweißmolekül PU.1 ins Visier. In der normalen Wundheilung wird die Bildung von PU.1 vom Körper gehemmt, damit am Ende des normalen Heilungsprozesses die Bindegewebszellen wieder in einen Ruhezustand zurückkehren können.

„Wir konnten nachweisen, dass PU.1 bei verschiedenen Bindegewebserkrankungen in der Haut, Lunge, Leber und der Niere aktiviert wird. PU.1 bindet an die Erbsubstanz (DNA) in Bindegewebszellen und programmiert diese um, was zu einer anhaltenden Ablagerung von Gewebsbestandteilen führt“, erklärt Dr. Ramming. PU.1 ist nicht der einzige Faktor, der an Fibrosen beteiligt ist, denn schon in der Vergangenheit wurden Faktoren identifiziert, die bei der Ablagerung von Narbengewebe beteiligt sind. Was neu entdeckt wurde, ist, dass  PU.1 eine zentrale Rolle in einem Netzwerk aus Faktoren übernimmt, die diesen Prozess steuern. „PU.1 ist gleichsam der Dirigent in einem Orchester“, erklärt Ramming, „nimmt man ihn heraus, fällt das gesamte Konzert in sich zusammen”. Der Ansatz ließ sich therapeutisch bereits mit einem experimentellen Pharmakon realisieren. Dies nährt die Hoffnung, dass bald klinische Studien zur Hemmung von PU.1 starten können, mit dem Ziel Fibrose besser zu behandeln.

Die Arbeiten wurden durch den Sonderforschungsbereich 1181 „Schaltstellen der Auflösung der Entzündungsreaktion“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt.

Weitere Informationen:

Dr. Andreas Ramming
Tel.: 09131/85-39109
andreas.ramming@uk-erlangen.de