Wie Smartphone-Fotos zur Identitätsbildung Jugendlicher beitragen

Frau macht ein Selfie.
Foto: Colourbox

Das fotografierte Leben

Dr. Michaela Kramer, Medienpädagogin der FAU, hat untersucht, welchen Einfluss Smartphone-Fotografie und die Präsentation der Bilder auf den sozialen Medien auf die Identitätsbildung von Jugendlichen haben. Dabei ist eine Typologie entstanden, die unterschiedliche Arten beschreibt, wie Jugendliche sich über Fotos auf Instagram, Snapchat und ähnlichen Plattformen darstellen können und was das über ihre Persönlichkeitsfindung aussagt.

Das Smartphone hat in den vergangenen Jahren wesentlich zur Alltäglichkeit und Allgegenwart der Fotografie beigetragen. Gerade unter Jugendlichen erfreuen sich die vielfältigen Möglichkeiten der fotografischen Selbstpräsentation und Kommunikation über soziale Medien großer Beliebtheit. Vor diesem Hintergrund widmet sich die qualitative Studie der Bedeutung der Fotopraktiken für die Auseinandersetzung mit den Identitätsfragen „Wer bin ich, wie bin ich geworden, wer ich bin und wer werde ich sein?“

Für ihre Dissertation „Visuelle Biografiearbeit. Smartphone-Fotografie in der Adoleszenz aus medienpädagogischer Perspektive“ an der Universität Hamburg hat FAU-Wissenschaftlerin Michaela Kramer unter dem Begriff „visuelle Biografiearbeit“ ein theoretisches Konzept entwickelt, das zeigt, auf welche unterschiedliche Arten Jugendliche Fotografie zur Identitätsfindung nutzen. „Das Leben beziehungsweise die Biografie wird nicht mehr nur erzählt, sondern zunehmend fotografiert und gefilmt“, erklärt Dr. Michaela Kramer. „Dabei werden nicht mehr nur Ereignisse wie Konfirmation oder Geburtstage festgehalten, sondern insbesondere auch der Alltag.“

Für die Studie hat sie zwölf Jugendliche im Alter von 13 bis 17 Jahren ausgewählt, die unterschiedliche Interessen und soziale Hintergründe haben. Die Aufgabe der Jungen und Mädchen bestand darin, über sich zu erzählen und im Anschluss fünf Bilder aus ihren Social-Media-Kanälen auszusuchen, die kommentiert und analysiert wurden. Dr. Kramers Ergebnis ist, dass die Bildmotive größtenteils in Körperbilder, Reproduktionen, also abfotografierte Fotos und Screenshots, und Bilder der umgebenden Welt unterteilt werden können. „Das ist natürlich nur ein Ausschnitt“, betont die Wissenschaftlerin und erklärt weiter: „Jugendliche sind als Gesellschaftsgruppe vielschichtig und nutzen Smartphone-Fotografie auf unterschiedliche Art und unterschiedlich intensiv.“ Jedoch lässt sich festhalten, dass gesellschaftliche Normen eine zentrale Bedeutung in der Smartphone-Fotografie einnehmen und Jugendliche sich dazu unterschiedlich kritisch positionieren.

Unter Einbezug der detaillierten Interviewanalysen und so genannten Bildpraktikenanalysen, bei denen sowohl Fotos als auch die sich darauf beziehenden Hashtags, Likes und Kommentare interpretiert werden, hat Dr. Kramer in ihrer Arbeit drei Typen visueller Biografiearbeit ausgemacht:

  • Den künstlerisch-ambitionierten Typ „Distinktion“: Er nutzt professionelles Equipment, um sich von seinen Altersgenossen abzusetzen und nimmt künstlerisch-ästhetische Fotos auf.
  • Der Typ „Konformität“: Er verwendet ausschließlich das Handy zum Fotografieren und fokussiert sich auf Bilder, die den Körper in Szene setzen. Dabei nimmt er Posen ein, die auf Social-Media-Kanälen allgegenwärtig sind.
  • Der Typ „Risikominimierung“: Er ist hingegen unsicher und stellt sich selbst nur ungern und selten auf Fotografien in sozialen Medien dar. Daher werden von diesen Jugendlichen eher Bilder ihrer Umwelt oder Screenshots geteilt, die ein geringes Risiko bergen, sich vor anderen zu blamieren.

In ihrer Arbeit kommt Dr. Michaela Kramer zu dem Ergebnis, dass Medien identitätsstiftenden Wert für Jugendliche haben. Ihre Studie hat gezeigt, dass es für Jugendliche relevant ist, ihre Biografie visuell darzustellen. Interessant ist hierbei, dass sie sich dadurch mit ihrer eigenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auseinandersetzen. So wird auf den Bildern nicht nur sichtbar, wie sie selbst auch in Zukunft von anderen gesehen werden wollen, sondern die Bilder lösen auch bei jedem Betrachten erneut Erinnerungen aus. Dies verhilft ihnen dazu, Antworten auf die Frage „Wer bin ich?“ zu finden.

Die fortschreitende Mediatisierung und Visualisierung – also die Entwicklung, dass die Kommunikation über visuelle Medien einen zunehmend größeren Stellenwert bei Jugendlichen einnehmen – bietet Chancen und Risiken gleichermaßen und kann auf Basis dieser Studie nun weiter von der Jugendmedienforschung untersucht werden.

Weitere Informationen

Dr. Michaela Kramer
Lehrstuhl für Pädagogik mit dem Schwerpunkt Medienpädagogik
Tel.: 0911/5302-591
michaela.kramer@fau.de