Viren Hochsaison

Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein (Bild: privat)
Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein ist ehemaliger Leiter des Virologischen Instituts der FAU. (Foto: Privat)

Virologe Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein im Interview über die Ausbreitung von Erkältungsviren und SARS-Cov-2 im Winter

Masken in der Öffentlichkeit, gründliches Händewaschen und Abstand statt gedrängter Menschenmengen: Eigentlich sollten mit diesen Schutzmaßnahmen gegen Covid-19 auch die klassischen Infektionskrankheiten der kalten Jahreszeit wie Erkältungen oder Schnupfen keine Chance mehr haben. Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein, früherer Direktor des Virologischen Instituts, hat im Interview über SARS-Cov-2 und die eigentlich typischen Viren dieser Jahreszeit gesprochen.

Kommen wir dieses Jahr ohne die übliche Erkältung davon?

Mit unseren verordneten Hygiene- und Präventivmaßnahmen, also dem regelmäßigen Händewaschen und dem Tragen von Masken in der Öffentlichkeit, schützen wir uns natürlich nicht nur gegen Covid-19, sondern auch gegen viele andere respiratorische Viren, also Viren, die zu einer Entzündung der oberen oder unteren Atemwege führen. Die Hochsaison ist von Dezember bis Ende März. In diesen Monaten werden Influenzaviren, RS-Viren und viele andere Viren besonders häufig übertragen. Und diesen Winter sehen wir, dass es bisher weniger Influenza-Fälle gab als in den Vorjahren.

Wenn die Gefahr durch Viren gerade so gering ist, warum sind Einige dann trotzdem krank? Reicht auch schon zu viel kalte Luft, um sich zu erkälten?

Nein, ein echter Schnupfen braucht immer ein Virus. Natürlich können auch Reizungen, Allergien, Asthma oder Bakterien dazu führen, dass die Nase läuft. Doch bei den meisten Atemwegsinfekten sind Viren die Auslöser. Ein typischer Schnupfen wird an erster Stelle durch Rhinoviren verursacht und diese sind nicht nur in der kalten Jahreszeit unterwegs. Aber unsere derzeitigen Maßnahmen halten nicht alle respiratorischen Viren ab. Hinzu kommt, dass wir nicht immer Masken tragen oder der Schutz eingeschränkt ist, wenn sie nicht richtig sitzen. Vielleicht sind manche Menschen auch etwas sensibler in ihrer Wahrnehmung geworden, wenn es um Kopfschmerzen oder eine Reizung der Atemwege geht.

Man kann gerade nicht über Viren sprechen, ohne nicht auch den Auslöser der Covid-19 Pandemie zu erwähnen. Was beschäftigt Sie gerade rund um SARS-Cov-2 besonders?

Mich besorgt vor allem das gelegentlich fehlende Problembewusstsein: Viele Maßnahmen werden nicht konsequent durchgeführt, dabei müssen wir unser Instrumentarium voll ausnutzen.

So sollten wir mehr positive Virusbefunde sequenzieren, also das komplette Virus-Genom entschlüsseln. Nur so können wir den vollen Überblick darüber bekommen, welche Virus-Varianten existieren und wie verbreitet sie gerade sind. Meiner Meinung nach müssten wir in Deutschland tausend Sequenzen pro Tag entschlüsseln. Die vom Bundesgesundheitsminister geforderten fünf Prozent der positiven Proben dürften zu wenig sein. Wir rechnen zwar damit, dass die neuen Varianten aus Großbritannien, Südafrika und Brasilien auch bei uns immer häufiger werden, aber wir haben noch keine hinreichende Datengrundlage.

Außerdem sollten viel mehr Schnelltests eingesetzt werden. Es stimmt zwar, dass sie gelegentlich falsch negativ sind, aber die Fehlerquote von etwa drei Prozent sollte nicht im Vordergrund stehen. Die Tests liegen zu knapp 97 Prozent richtig und es ist es ja besser 97 Prozent herauszufiltern als gar nicht erst zu suchen. Meiner Meinung nach sollten viel mehr Menschen auch ohne Symptome, zum Beispiel an Flughäfen oder Grenzübergängen, routinemäßig getestet werden. Die Industrie wird genügen Schnelltests dafür liefern.

Der nächste Punkt ist das Impfen: Einige scheinen damit zufrieden zu sein, dass vielleicht bis Ende des Sommers, wie die Kanzlerin sagt, genügend Impfstoff da sein wird und wir halt noch so lang warten. In Wirklichkeit sind wir mitten in einem Wettlauf gegen die Zeit. Schließlich wissen wir noch nicht hinreichend, wie sich die neuen Varianten entwickeln. Damit gehen manche noch zu sorglos um. Sie glauben, dass sich die Ausbreitung verlangsamen wird, wenn 70 Prozent geimpft sind. Aber dies könnte eine Illusion sein. Wir müssen noch ehrgeiziger werden, was das Tempo der Impfkampagnen betrifft.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein
Ehemaliger Leiter des Virologischen Instituts
bernhard.fleckenstein@fau.de