Glas und die Energiewende: nachhaltige Produktion durch Strom?

Pipette, Flüssigkeiten, Reagenzgläser
Bild: Colourbox.de

FAU und TH Nürnberg forschen gemeinsam an einer grüneren Glasproduktion

2022 ist das Internationale Jahr des Glases. Doch gerade jetzt bangen viele Glasfabriken um ihre Existenz. Die hohen Energiekosten und der große CO2-Ausstoß stellen die Glasherstellung vor eine herausfordernde Zukunft. An einer Lösung, Glas zukünftig nachhaltiger und unabhängig von fossilen Rohstoffen herzustellen, forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FAU und der Technischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm. Ihr Ansatz beruht auf elektrisch betriebenen Schmelzöfen.

„Überall in unserem Alltag versteckt sich Glas, durchsichtig oder bunt, mit ganz verschiedenen Funktionen“, sagt Prof. Dr. Dominique de Ligny vom Lehrstuhl für Glas und Keramik an der FAU. „Nicht nur für Fenster, sondern auch für den Smartphone-Bildschirm, als Aufbewahrungsgefäß, in Rotorblättern von Windkraftanlagen oder bei der Produktion von Lasern.“

Um Glas herzustellen, ist viel Energie nötig. Für die Glasproduktion müssen verschiedene Rohstoffe in einem Schmelzofen auf über 1600 Grad Celsius erhitzt werden. Die Hitze entsteht, indem Erdgas verbrannt wird – dabei wird viel CO2 frei. Mit den steigenden Erdgaspreisen sind auch die Kosten der Glasfabriken für die Herstellung immens gestiegen. Inzwischen machen die Energiekosten mehr als 40 Prozent der Gesamtkosten aus, vor 2020 waren es nur 14 Prozent.

Eine Entwicklung, die bereits jetzt die Existenz vieler Glasfabriken bedroht.

Glasschmelzen mit Strom

Gemeinsam mit Prof. Dr. Sven Wiltzsch von der Fakultät Werkstofftechnik der TH Nürnberg forscht Prof. Dr. Dominique de Ligny bereits seit 2020 daran, Glas in Zukunft nachhaltiger und unabhängiger von fossilen Brennstoffen herzustellen. Eine Möglichkeit ist, die Schmelzöfen mit Strom statt Erdgas zu betreiben. Um das Rohmaterial mithilfe von Strom zu erhitzen, werden am Rand des Glasschmelzkessels Elektroden angebracht. Dazwischen fließt Strom und gibt so Energie an das Material ab, das dadurch zu schmelzen beginnt.

„Wenn wir in Zukunft von grünem Strom ausgehen, wäre diese Methode sehr viel nachhaltiger. Wir würden bei diesem Prozess nur sehr wenig CO2 freisetzen, weil beim vollelektrischen Schmelzen keine Verbrennung mehr stattfindet. Nebenprodukte wie CO2 oder Kohlenmonoxid entstehen nicht mehr“, erklärt Prof. Wiltzsch. „Betreibt man den Ofen mit Strom, geht außerdem weniger Energie verloren als beispielsweise bei der Umwandlung von Wasserstoff. Das System ist also effizienter.“

Blauglas statt Braunglas

Bei Versuchen haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jedoch ein Problem festgestellt: Ihre Methode funktioniert nicht für die Herstellung von braunem Glas, das für spezielle Zwecke jedoch dringend benötigt wird. Braunglas ist beispielsweise für die Aufbewahrung von Medikamenten und Lebensmitteln notwendig, denn es schützt sie vor UV-Strahlung.

Dass die Herstellung von Braunglas nicht funktioniert, liegt am hohen Sauerstoffanteil im Elektroofen. In traditionellen Öfen ist die Atmosphäre sauerstoffarm, in einem elektrischen sauerstoffreich. Der viele Sauerstoff im Ofen verändert chemische Reaktionen auf der Ebene der Atome, so entsteht blaues statt braunes Glas. Welche besonderen atomaren Eigenschaften braunes Glas hat, untersucht Nicole Ostermeier in ihrer Bachelorarbeit. Sie studiert an der TH Nürnberg Angewandte Materialwissenschaften und erforscht an der FAU, warum das Braunglas seine Farbe verliert und wie sich der Schmelzprozess mit Elektrizität verändert.

„Wenn wir verstehen, wie Sauerstoff die Farbe des Glases beeinflusst, könnten wir auch Braunglas mit Elektroöfen herstellen und so die ganze Glasproduktion nachhaltig verändern“, fassen Prof. de Ligny und Prof. Wiltzsch zusammen.

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Bild: FAU

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Weitere Informationen

Prof. Dr. Dominique de Ligny
Lehrstuhl für Glas und Keramik (FAU Erlangen-Nürnberg)
Tel. 09131 / 85-27553
dominique.de.ligny@fau.de

Prof. Dr. Sven Wiltzsch
Fakultät Werkstofftechnik (TH Nürnberg)
Tel. 0911 / 5880 1153
sven.wiltzsch@th-nuernberg.de