Buntes Licht steuert chemische Reaktionen

Versuchsaufbau im Labor
Mithilfe einer Ultrakurzzeit-Laserspektroskopie haben die Wissenschaftler vom Lehrstuhl für Physikalische Chemie I der FAU die Messungen durchgeführt.(Bild: FAU/Christoph Schüßlbauer)

FAU-Forschende nutzen erstmals ganzes Lichtspektrum für gezielte Reaktionen

Chemische Reaktionen ganz präzise steuern und zwar mit farbigem Licht: Das funktioniert mit einem intelligenten Photokatalysator, der von Forschenden der Universität Gent und des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Physikalische Chemie I der FAU entwickelt wurde. Der neue smarte Photokatalysator funktioniert erstmals über ein ganzes Spektrum an unterschiedlich farbigem Licht. So können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ganz gezielt verschiedene Reaktionen auslösen und damit Moleküle herstellen, die für nahezu jedes Produkt als Ausgangsmaterial verwendet werden können. Ihre Forschungsergebnisse haben sie in der renommierten Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht.

Es kommt auf das Energielevel an

Katalysatoren vereinfachen und ermöglichen chemische Reaktionen, bei denen ein Material zu einem anderen umgewandelt wird. Bei sogenannten Photokatalysatoren funktioniert das über Lichteinstrahlung. Bisher konnten diese Reaktionen jedoch nicht wirklich gesteuert werden. Möglich ist das theoretisch durch die Energie des Lichts – kurz: die Farbe.

Die unterschiedlichen Farben des Lichts zu nutzen, verhinderte bisher ein photophysikalisches Grundprinzip: Bestrahlt man ein Ausgangsmaterial mit Licht, nimmt es zunächst die Energie des Lichts auf – das Energielevel des Materials steigt entsprechend der Lichtfarbe. Jedoch bleibt das Energielevel nicht lange verfügbar, der Großteil der Energie wird innerhalb kürzester Zeit wieder freigegeben. Übrig bleibt nur eine geringere Menge, man spricht vom sogenannten ersten angeregten Zustand. „Das liegt daran, dass das Material wieder in seinen Ausgangszustand möchte und deshalb sehr schnell Energie in Form von zum Beispiel Wärme wieder abgibt. Für eine gezielte Reaktion brauchen wir aber länger verfügbare Energielevel, weshalb in herkömmlichen Photokatalysatoren oft nur der erste angeregte Zustand genutzt werden kann“, erklärt Christoph Schüßlbauer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Physikalische Chemie I.

Neue Möglichkeiten, um funktionelle Materialien herzustellen

Beim neuen Photokatalysator nutzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Red-Edge-Effekt. Dieser ist in der theoretischen Physik bereits seit 50 Jahren bekannt, jedoch wurde er bisher nie im Bereich der Photokatalyse eingesetzt. Dort kann er dafür sorgen, dass die Energie des Lichts als länger verfügbares Energielevel im Material bleibt. So können mit dem Photokatalysator gezielt Reaktionen auf einem ganzen Spektrum an Energieleveln ausgelöst und damit verschiedene Endprodukte hergestellt werden. „Mit dem Photokatalysator können wir so unter anderem grundlegende Moleküle produzieren, welche quasi überall weiterverarbeitet werden können. Halogenierte Kohlenwasserstoffe insbesondere gehören zu den wichtigsten Vorstufen in der Herstellung von Medikamenten, neuen Werkstoffen, leitenden Polymeren und vielen mehr“, erklärt Christoph Schüßlbauer.

Bisher wurden diese Stoffe oft unter giftigen Bedingungen und mit sehr teuren Materialien hergestellt. Außerdem entstanden bei Reaktionen, die durch herkömmliche Photokatalysatoren ausgelöst wurden, oft viele Nebenprodukte, die Chemikerinnen und Chemiker dann aufwendig voneinander trennen mussten. Diese Nebenprodukte fallen bei gezielten Reaktionen weg. „Dass wir mit diesem smarten Photokatalysator das verfügbare Energielevel so fein abstimmen können, eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten im Bereich der Photokatalyse und Herstellung neuer funktioneller Materialien“, sagt Christoph Schüßlbauer.

Bereits im vergangenen Jahr konnten FAU-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Reaktionen durch einen smarten Photokatalysator mit grünem, blauen und roten Licht steuern. Damit konnte das Team gezielt Sulfonamide herstellen, ein wichtiger Bestandteil bei der Herstellung von Antibiotika.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Dirk M. Guldi
dirk.guldi@fau.de

Christoph Schüßlbauer, AMRSC
Lehrstuhl für Physikalische Chemie I
Tel.: 09131 85 67459
christoph.schuesslbauer@fau.de