Frauen sollten nicht davor zurückschrecken, auf höchstem Level zu konkurrieren

Prof. Dr. Ana-Suncana Smith draußen vor einem Gebäude
Prof. Dr. Ana-Suncana Smith Institut für Theoretische Physik Professur für Theoretische Physik W2-Professorin Naturwissenschaftliche Fakultät (Bild: Giulia Iannicelli/FAU)

Wir präsentieren in einer Folge von 22 Beiträgen ein Panorama an FAU-Wissenschaftlerinnen verschiedener Qualifikationsstufen und akademischer Positionen, von der Studentin bis zur W3-Professorin. Als Role Models motivieren die Forscherinnen aus dem MINT-Bereich durch ihre individuellen Werdegänge Nachwuchswissenschaftlerinnen für eine akademische Laufbahn, denn sie geben interessante Einblicke in ihren beruflichen Werdegang. Dabei lernen wir die MINT-Expertinnen auch von ihrer privaten Seite kennen.

Professorin Ana-Sunčana Smith: „Frauen sollten nicht davor zurückschrecken, auf höchstem Level zu konkurrieren“

Ana-Sunčana Smith ist Professorin für Theoretische Physik an der FAU und Leiterin der PULS-Gruppe (Physics Underlying Life Sciences). Außerdem ist sie Mitglied des Verwaltungsrats des Exzellenzclusters Engineering of Advanced Materials (EAM) der FAU und des Forschungsclusters Neue Materialien und Prozesse. Ihre Interessen liegen in der Anwendung von Konzepten der statistischen Physik auf die Materialwissenschaft und die Biophysik. Die 46-Jährige, die in mehreren Ländern und Kontinenten ausgebildet wurde und gearbeitet hat, pendelt zwischen Deutschland und Kroatien. So ist sie neben ihren Aufgaben an der FAU auch leitende Wissenschaftlerin am Ruđer Bošković-Institut in Zagreb. Die Forscherin und dreifache Mutter ist eine Weltbürgerin – nicht nur wegen ihrer beruflichen Erfahrung, sondern auch wegen ihrer französisch-kroatischen Wurzeln und ihrer in Australien „erworbenen“ Familie, ihr Ehemann stammt aus Australien. Prof. Smith spricht fünf Sprachen, darunter Russisch und Deutsch, bevorzugt aber in ihrem beruflichen Umfeld Englisch.

Ausbildung auf zwei Kontinenten

Ihr Studium der Physik schloss sie im Jahr 2001 an der Fakultät für Physik der Universität Zagreb in Kroatien ab, nachdem sie ihre Diplomarbeit in Angewandter Mathematik an der Australian National University in Canberra absolviert hatte. Zum Promovieren zog es sie nach Deutschland, wo sie 2004 an der Technischen Universität München ihren Doktor machte. Nach Postdoc-Stellen in München und Sydney wurde sie 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theoretische Physik der Universität Stuttgart. Drei Jahre später erhielt sie eine Rising-Star-Juniorprofessur für Theoretische Physik im Rahmen des Exzellenzclusters Engineering of Advanced Materials an der FAU. Seit 2012 ist sie an der FAU fest angestellt. Seitdem verbrachte sie Sabbaticals in Cambridge (UK) und Perth (Australien) als Gastprofessorin.

Muttersein und studieren? Das geht gut!

Für Ana-Sunčana Smith waren viele ihrer Lebensentscheidungen ein Kompromiss zwischen Privat- und Berufsleben: „Ich habe mein erstes Kind während des Studiums bekommen, und jetzt ist meine Tochter selbst an der Universität – vielleicht werde ich bald Großmutter!“, lacht die Professorin. Sie spricht gerne über ihre Studienzeit: „Ich war voller Energie. Ich bin morgens hochschwanger in die Vorlesungen gegangen und habe abends die Wohnung tapeziert! Natürlich gab es wenig Geld, aber es hat trotzdem funktioniert. Ich hatte keine Verantwortung oder Verpflichtungen – außer dem Studium und dem Kind“. In der westlichen Welt beobachtet Smith die Einstellung, dass Frauen zuerst ihren Abschluss machen und erst dann „ein Nest bauen“ wollen, wenn sie finanziell völlig stabil sind. Dabei ist die Akademikerin überzeugt: „Die Kombination von Elternschaft und Beruf wird mit zunehmendem Alter immer stressiger und anstrengender.“ Die Physikprofessorin hat ein weiteres Kind im Schulalter und eines im Grundschulalter und weiß: „Mit den Jahren wird das Muttersein körperlich anstrengender, während die beruflichen Verpflichtungen zunehmen. Dennoch ist es möglich, Kinder und eine Karriere zu haben – allerdings ohne  Hobbys“, lächelt sie. Ihr Mantra lautet: „Für den Nachwuchs ist es besser, eine glückliche Mutter für einen Teil des Tages zu haben, als eine mürrische, die immer da ist!“

Prof. Dr. Ana-Suncana Smith im Gespräch
Prof. Dr. Ana-Suncana Smith Institut für Theoretische Physik, Professur für Theoretische Physik W2-Professorin Naturwissenschaftliche Fakultät (Bild: Giulia Iannicelli/FAU)

„Frauen und Männer sind nicht gleich, aber gleichwertig“

Frauen in MINT-Fächern müssen sich jedoch darüber im Klaren sein, dass der Wettbewerb hart und dass die Zugehörigkeit zu einer Minderheit mit Herausforderungen verbunden ist. Für Ana-Sunčana Smith steht eines fest: „Männer und Frauen sind nicht gleich, aber sie sollten gleichwertig sein. Ich bin eine Frau und das definiert, wie ich mich ausdrücke. Ich habe nicht nur
eine gewisse Sensibilität, sondern schöpfe daraus auch meine Inspiration, meine Kraft und mein Durchhaltevermögen. Das spiegelt sich in meinem Berufsalltag wider.“ Im Zusammenhang mit der Lehre vermutet Prof. Smith, dass sich ihr Auftreten von dem ihrer Kollegen unterscheidet: „Ich biete Studierenden und Nachwuchswissenschaftler*innen meine Art zu denken an. Mein Ansatz zur Wissensvermittlung konzentriert sich auf die Entwicklung von Intuition und analytischen Fähigkeiten. Ich denke jedoch, dass die Pluralität des Denkens und die Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten der Argumentation wesentliche Bestandteile einer exzellenten Ausbildung sind.“ Das gilt insbesondere für MINT-Fächer, und deshalb ist es besonders wichtig, dass Frauen dazu beitragen.

Forscherinnen sind oft zu kritisch und zweifeln zu sehr an sich selbst.

Auf die Frage nach ihrem Erfolgsrezept antwortet die Forscherin: „Hart arbeiten und versuchen, gut organisiert und vernetzt zu sein.“ Und sie fügt hinzu: „Ich hatte schon immer diesen inneren Antrieb. Wir müssen uns durch unseren eigenen Willen und unsere Motivation entwickeln, aber nicht durch die Versuche anderer, zu definieren, wer wir sind und wie weit wir kommen können. Die Person, die sich selbst befiehlt, ist man selbst!“ Erfolgreich zu sein, sei jedoch schwierig ohne das Unterstützungsnetz zu Hause und ohne Anerkennung und Akzeptanz am Arbeitsplatz. Diese Erfahrung hat die Forscherin, die auch zahlreiche wissenschaftliche Preise und Stipendien erhalten hat, gemacht. Über die Jahre beobachtete die Professorin: „Frauen sind oft zu kritisch und zweifeln zu sehr an sich selbst. Sie sollten sich vor Augen halten, dass es keinen universellen Maßstab für Erfolg gibt – Leistung ist die Erfüllung eines innigen Wunsches. Frauen sollten jedoch nicht davor zurückschrecken, auf höchstem Level zu konkurrieren, auch wenn ihre Chancen, es an die Spitze zu schaffen, begrenzt sind!“

Dieser Artikel ist Teil der Broschüre “The Sky is the Limit”

Titelbild The Sky is the Limit
Broschüre “The Sky is the Limit”

Facettenreich, inspirierend und innovativ werden in der Broschüre “The Sky is the Limit”  MINT-Wissenschaftlerinnen aus der Technischen und Naturwissenschaftlichen Fakultät der FAU in abwechslungsreichen Interviews vorgestellt.

Weitere veröffentlichte Interviews können Sie online auf der Seite Research nachlesen.

Broschüre “The Sky is the Limit — MINT-Wissenschaftlerinnen an der FAU” zum Download

Die Publikation entstand im Rahmen einer Kooperation zwischen dem GRK 2423 FRASCAL und dem Büro für Gender und Diversity. Die Interviews führte Dr. Susanne Stemmler.