Wie Völkerrecht die Menschenrechte schützen kann

Porträt Prof. Dr. Christoph Safferling
Prof. Dr. Christoph Safferling, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht (Bild: Lérot)

Professor Safferling ist seit Kurzem der neue Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien

Prof. Dr. Christoph Safferling ist neuer Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien. Im Interview erklärt er, was die Akademie genau macht, wie sich seine Arbeit und Forschung auf unseren Alltag auswirken kann und was es bedeutet, wenn „im Krieg das Recht auf Leben außer Kraft gesetzt ist.“

Professor Safferling, Sie sind seit Kurzem der neue Direktor der Internationalen Akademie Nürnberger Prinzipien. Was macht die Akademie genau?

Die Akademie soll dabei helfen, die sieben Regeln bzw. Hauptprinzipien des Völkerrechts einzulösen und damit gegen die Straflosigkeit von völkerrechtlichen Tatbeständen wie Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression vorzugehen. Im Grunde genommen sind diese Nürnberger Prinzipien, und damit auch die Akademie, das Ergebnis des Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozesses und wurden 1946, unmittelbar nach Ende des Prozesses, von der Generalversammlung der Vereinten Nationen zusammengefasst. Eines dieser Prinzipien ist beispielsweise, dass es für internationale Verbrechen keine Straflosigkeit geben soll. Im Nürnberger Hauptkriegsverbrecher-Prozess ist genau das zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte passiert: Es sind Personen dafür bestraft worden, dass sie gegen internationales Recht verstoßen haben.

Wie wird konkret dafür gesorgt, dass die Forderungen und Prinzipien umgesetzt werden?

Das sind im Grunde verschiedene Säulen. Wir versuchen einerseits, über Ausbildungsmodule an junge Leute heranzutreten. Damit wollen wir beispielsweise Studierende oder auch junge Praktikerinnen und Praktiker mit dem Völkerstrafrecht vertraut machen und sie in die Lage versetzen, das in ihren Heimatländern auch einzufordern und anzuwenden. Andererseits wollen wir ein Ort sein, an dem man über aktuelle Themen des Völkerstrafrechts spricht und versucht, Lösungen zu entwickeln.

Prof. Dr. Safferling über „Die Akte Rosenburg". Der FAU-Jurist hat gemeinsam mit dem Historiker Prof. Dr. Manfred Görtemaker die Untersuchungen der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz geleitet. (Bild: FAU/Erich Malter)
Prof. Dr. Safferling über „Die Akte Rosenburg”. Der FAU-Jurist hat gemeinsam mit dem Historiker Prof. Dr. Manfred Görtemaker die Untersuchungen der Unabhängigen Wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz geleitet. (Bild: FAU/Erich Malter)

Wie kann sich die Arbeit, die dort geleistet wird, auf unseren Alltag auswirken?

Unsere Studierenden und Referendar/-innen sollen sich mit dem nationalsozialistischen Unrecht beschäftigen und erfahren, dass man mit den Mitteln des Rechts auch gröbste, menschenverachtende Dinge machen kann und dabei immer noch so tun kann, als wäre es Recht. Nach dem 2. Weltkrieg hat als einer von zwölf großen Prozessen gegen Verantwortliche des Nationalsozialismus der Juristenprozess in Nürnberg stattgefunden. Nicht ohne Grund heißt es in dem Urteil, das daraus hervorging: „Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen versteckt“. Das ist etwas, was ich unseren Studierenden und Referendar/-innen beibringen möchte. Insofern hat diese Arbeit auch jetzt ganz konkrete Auswirkungen auf die Ausbildung. Hier an der Friedrich-Alexander-Universität beispielsweise im Jurastudium. Das geht nicht nur an Studierende, sondern auch gesamtgesellschaftlich an die allgemeine Öffentlichkeit bis hin zu Schülern und Schülerinnen, die wir mit dem Thema konfrontieren.

Was macht diese Arbeit Ihrer Meinung nach so relevant?

Es wird immer Staaten in der Welt geben, die Menschenrechte nicht akzeptieren. Auch wenn wir davon ausgehen, sie würden überall geachtet und der Wille sei da, keine Kriege anzuzetteln, es wird trotzdem immer Personen geben, die ausbrechen. Diese muss oder kann man mit den Mitteln des Strafrechts einfangen. Der Einsatz von Strafrecht muss natürlich gewissen Regeln folgen, da es einen doppelten Menschenrechts-Bezug hat: Die Menschenrechte wirken zugunsten der Opfer, aber sie wirken auch, um den Täter oder die Täterin vor massiven Übergriffen des Staates zu schützen. Wir nennen das dann Angeklagtenrechte und Verfahrensfairness. An dieser Stelle schützt das Strafrecht die Menschenrechte beider Seiten.

Prof. Dr. Christoph Safferling
Prof. Dr. Christoph Safferling stellt die Ergebnisse des Rosenburg-Projekts vor. Er untersuchte, wie sich die NS-Vergangenheit auf das Justizministerium der Bundesrepublik auswirkte. (Bild: FAU/Erich Malter)

Wie würden Sie den Bezug zwischen Strafrecht und Menschenrechten genauer beschreiben?

Die Verbindung zwischen Völkerstrafrecht einerseits und Menschenrechten andererseits ist vielen Menschen nicht ganz klar. Beispielsweise ist in einem bewaffneten Konflikt das Menschenrecht Nummer eins, das Recht auf Leben, außer Kraft gesetzt. Denn es gibt Soldaten und Kombattanten, die töten dürfen – nur gewisse andere Personen wie andere Kombattanten, aber sie dürfen töten. Damit sind Menschenrechte in besonderem Maße gefährdet. Indem eine Strafe angedroht wird, soll nun erreicht werden, dass wenigstens ein Kern der Menschenwürde aufrechterhalten wird, auch wenn ein Krieg tobt. Wer sich zum Beispiel in Siegerpose mit Leichenteilen auf Facebook inszeniert, macht sich strafbar wegen eines Kriegsverbrechens. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass hier das Völkerstrafrecht Menschenrechte schützt. Das ist auch auf der Forschungsebene interessant und ein Teil der anwendungsbezogenen Menschenrechtsforschung an der FAU.

Auf welche Ziele arbeiten Sie in den nächsten fünf bis zehn Jahren in diesem Bereich hin?

Es sind zwei Ziele, die ich unmittelbar habe. Eines ist es, neue Erkenntnisse im Bereich Völkerstrafrecht zu gewinnen und dazu beizutragen, insbesondere die Entwicklung des Völkerstrafrechts in Deutschland international stärker bekannt zu machen. Die Staatsanwält/-innen und Richter/-innen leisten großartige Arbeit bei der Verfolgung von Kriegsverbrechen und Völkermord. Da die Gerichtssprache hier aber deutsch ist, wird das im Ausland kaum zu Kenntnis genommen. Das zweite Ziel ist, die Nürnberger Prozesse mit allen zugehörigen Verfahrensakten, die bislang nicht publik sind, historisch zu systematisieren und zu ordnen, um sie dann auch einer wissenschaftlichen Öffentlichkeit und einer allgemeinen Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Denn daraus kann man historisch und juristisch viel lernen.

Prof. Dr. Christoph Safferling im Radiostudio
Prof. Dr. Christoph Safferling im Rundfunkstudio der FAU. (Bild: FAU/Julian Popp)

Mehr zur Person Prof. Dr. Christoph Safferling

Prof. Dr. Christoph Safferling
Inhaber des Lehrstuhls für Strafrecht, Strafprozessrecht, Internationales Strafrecht und Völkerrecht mit ICLU – Professor Dr. Christoph Safferling, LL.M. (LSE)
Webseite Prof. Safferling

Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien

Die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien widmet sich der Förderung des Völkerstrafrechts und der Menschenrechte. Die Akademie hat ihren Sitz in Nürnberg, dem historischen Geburtsort des modernen Völkerstrafrechts. Im Bewusstsein dieses historischen Erbes unterstützt die Akademie den Kampf gegen die Straflosigkeit von völkerrechtlichen Tatbestände: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Verbrechen der Aggression.

www.nurembergacademy.org

FAU Human Rights Podcast

Der Podcast des Center for Human Rights Erlangen-Nürnberg (CHREN) an der FAU: Hier sprechen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu aktuellen Fragen sowie rechtlichen und politischen Herausforderungen aus menschenrechtlicher Sicht.

Den Podcast anhören:
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