Steuerabkommen mit der Schweiz – ja oder nein?

Prof. Dr. Thiess Büttner, Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft, an der FAU
Prof. Dr. Thiess Büttner (Bild: FAU)

Wenn am 23. November der Bundesrat über das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz entscheidet, rückt auch der – bislang vor allem vom Land Nordrhein-Westfalen betriebene – Ankauf von Steuer-CDs wieder ins Rampenlicht. Soll man ein Abkommen schließen oder weiter darauf setzen, Steuer-CDs anzukaufen? Was genau macht den Ankauf solcher CDs so problematisch? Ist es allein die mögliche Rechtsverletzung? Oder gibt es noch eine andere, volkswirtschaftliche Bedeutung?

Diese Fragen beantwortet Prof. Dr. Thiess Büttner, Inhaber des Lehrstuhls für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.

Das Grundproblem bei der Besteuerung von Ersparnissen – und darum geht es ja vor allem im Kontext der Steuer-CDs –  ist die Durchsetzung des Wohnsitzprinzips. Der Bürger soll alle Einnahmen der Besteuerung unterwerfen, unabhängig davon, ob sie durch im Ausland gehaltenes Vermögen oder hier bei uns erzielt worden sind. Allerdings hat Deutschland hier seit langem Schwierigkeiten: Die Bedeutung der Steuerhinterziehung ist in der Vergangenheit so groß gewesen, dass Kursentwicklungen am internationalen Kapitalmarkt von der deutschen Zinsbesteuerung beeinflusst wurden –  dies zeigen etwa die Erfahrungen mit der Quellensteuer auf Zinserträge. Obschon die Durchsetzung des Wohnsitzprinzips keineswegs nur im Hinblick auf Schweizer Banken problematisch ist, ist es richtig festzustellen, dass das Schweizer Bankgeheimnis die Position von Steuerhinterziehern gestützt hat, weil es besonders wirksamen Schutz vor der Versteuerung in Deutschland bot. Genau da nun setzt der Ankauf der Steuer-CDs an – das Bankgeheimnis wird durch den Ankauf unterminiert.

Nun liegt mit dem Steuerabkommen zwischen der Schweiz und Deutschland eine umfassende Regelung der zwischenstaatlichen Probleme auf dem Tisch: In Zukunft sollen die Kapitaleinnahmen besteuert werden, und es ist eine substanzielle Nachversteuerung des Altvermögens vereinbart. Soll Deutschland dieses Abkommen unterzeichnen und sich damit verpflichten, den aktiven Ankauf von Daten Schweizer Bankkunden in der Zukunft aufzugeben?

Der eigentliche Nutzen des Ankaufs ist gewissermaßen ein Abschreckungseffekt  –  und der trat bereits bei dem ersten Ankauf einer CD zu Tage. Schon die bloße Möglichkeit, ihre Daten könnten preisgegeben werden, hat bei den Steuersündern Ängste vor Aufdeckung ausgelöst, was vor allem an den Selbstanzeigen deutlich wird. Zwar würde der Ankauf jeder weiteren CD der Steuerverwaltung grundsätzlich weitere Einnahmen generieren, doch es ist davon auszugehen, dass die steuerlichen Mehreinnahmen mit jeder weiteren CD prozentual  abnehmen: Die Zahl der unentdeckten Steuersünder ist endlich.  Der wesentliche Einnahmeeffekt resultiert aus Selbstanzeigen.

Auch ein zweiter Nutzen des Ankaufs ist bereits eingetreten. So hat dieser Ankauf – wie umstritten er auch ist – sicher dazu beigetragen, die Schweiz zu den im Abkommen formulierten Zugeständnissen zu bewegen.

Der weitere Ankauf von Steuerdaten wäre zudem für die Bekämpfung der Steuerhinterziehung eher kontraproduktiv. Die Weitergabe der Bankdaten ist ein klarer Rechtsbruch, und es ist auch aus deutscher Perspektive nicht nur im Hinblick auf das Deutsch-Schweizer Verhältnis problematisch, wenn deutsche Behörden fortgesetzt Anstiftungen zum Rechtsbruch in der Schweiz ausüben. Die Entscheidung der Anleger, Geld im Inland oder im Ausland zu halten, ist nicht allein durch Steuern determiniert: Ein zentrales Element der Erfolgsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland ist die Absicherung der freiheitlichen Grundordnung durch einen Rechtsstaat. Wenn der Staat selbst sich nun an kriminellen Aktivitäten – wie etwa dem Diebstahl von Daten – beteiligt, unterminiert er letztlich die Glaubwürdigkeit des Rechtsstaates.

Ein modernes Steuersystem ist auf die Kooperation zwischen Steuerbehörden und Steuerzahlern angewiesen. In den meisten Bereichen kooperieren Bürger in unserem Land bereitwillig, wenn es darum geht, Steuern zu zahlen, beispielsweise indem sie ehrlich ihre Verhältnisse offenlegen. Zwar kann man sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, Steuern zu sparen sei ein Volkssport. Dabei geht es aber in erster Linie um die Steuerplanung im Rahmen geltender Gesetze. Wenn unserer Regierung nun aber jedes Mittel Recht ist, solange es nur Einnahmen garantiert, selbst wenn man damit die Rechtsordnungen anderer demokratischer Staaten verletzt, dann untergräbt sie auch die Steuermoral. Auch dem Steuerzahler könnte ja jedes Mittel recht sein, seine Steuern zu hinterziehen.

Es ist auch zu beachten, dass die Probleme mit der Steuerhinterziehung deutscher Sparer in der Schweiz Teil eines größeren Umbruchprozesses der deutschen Volkswirtschaft hin auf eine wachsende Mobilität in Europa und der Welt sind. Dadurch wird die Einkommensteuer generell weniger wirksam als Instrument der Umverteilung. Es reicht nicht, die Steuerflucht allein durch die Bekämpfung von Hinterziehung lösen zu wollen. Denn es wird zugleich auch immer leichter für Vermögende, den Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Dann ist die Steuerflucht vollständig und legal.

Vor diesem Hintergrund wäre die Unterzeichnung des Steuerabkommens mit der Schweiz ein Schritt zu mehr Steuergerechtigkeit.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Thiess Büttner
Tel.: 0911/5302-200
thiess.buettner@wiso.uni-erlangen.de