Wie die EU bis in die Kommunen wirkt

Dr. Eva Lohse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht, Staats- und Verwaltungsrecht der FAU. (Bild: Astrid Hübner)
Dr. Eva Lohse ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht, Staats- und Verwaltungsrecht der FAU. (Bild: Astrid Hübner)

Wenn die Europäische Union Richtlinien erlässt, müssen die einzelnen Mitgliedstaaten sie umsetzen. Oftmals liegt es an den Kommunen, die Richtlinien zu implementieren. Nicht immer funktioniert das reibungslos: Welche Probleme dabei auftreten können und wie der Prozess verbessert werden kann, erklärt Dr. Eva Lohse, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kirchenrecht, Staats- und Verwaltungsrecht der FAU.

Es gibt in Deutschland die Selbstverwaltungsgarantie. Welche Rechte umfasst diese Garantie? Und wovor soll sie schützen?

Die kommunale Selbstverwaltungsgarantie ist Ausdruck des Staatsaufbaus der Bundesrepublik von unten nach oben. Konkret ermöglicht sie den Gemeinden, ihre örtlichen Angelegenheiten eigenverantwortlich zu regeln. Die Bundesländer und die Bundesrepublik dürfen sich nicht in die Aufgabenerfüllung einmischen. Zu den Aufgaben der Gemeinden gehören insbesondere solche der örtlichen „Daseinsvorsorge“ für ihre Bürger: Versorgung mit Wasser oder Gas, öffentliche Schwimmbäder, erschwingliche Wohnungen, Volkshochschulen oder auch die Feuerwehr. Des Weiteren umfasst die Selbstverwaltungsgarantie unter anderem das Recht, örtliche Steuern zu erheben, z.B. die Zweitwohnungssteuer, oder die Planungshoheit wie die Aufstellung von Bebauungsplänen sowie die Personalhoheit über städtische Angestellte und Beamte.

Vorgaben, die die Europäische Union erlässt, müssen auch auf kommunaler Ebene umgesetzt werden. Wie funktioniert das?

Es gibt zwei Arten von europäischen Vorgaben: Primärrecht, also die von den Mitgliedstaaten geschlossenen Verträge wie zuletzt der Vertrag von Lissabon, und Sekundärrecht, also von der EU verabschiedete Richtlinien und Verordnungen.

Das Primärrecht stellt unmittelbar für alle mitgliedstaatlichen Stellen, also auch für die Gemeinden, geltende Regeln auf. Hierzu gehören Regeln zur Freizügigkeit der Bürger oder zum freien Warenverkehr innerhalb Europas. Die Gemeinden müssen diese Vorgaben wie jedes andere Gesetz beachten. Das Sekundärrecht muss dagegen meist erst durch ein mitgliedstaatliches Gesetz des Bundes- oder Landtags umgesetzt werden. Diese Gesetze können dann aber, wie z.B. bei der Umsetzung der Umgebungslärmrichtlinie, auch die Gemeinden dazu verpflichten, Maßnahmen zur Minderung von Lärm in der Stadt zu ergreifen. Auch finden sich vor allem im umweltrechtlichen Bereich und im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe Gebote und Verbote für das kommunale Handeln, die auf europäisches Sekundärrecht zurückgehen.

Ab und zu entsteht der Eindruck, dass die EU das Handeln der Mitgliedstaaten sehr kontrolliert. Wie sieht das in der Realität aus?

Natürlich ergeben sich aus dem Unionsrecht Vorgaben, die bis in die Gemeinden wirken. Das ist aber nicht schlechter als die Regulierung, die in vielen Bereichen durch den Mitgliedstaat selbst besteht. Der Eindruck bei den staatlichen Stellen einer starken europäischen Einmischung entsteht eher dadurch, dass auf europäischer Ebene neue, für die mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen teils unbekannte Ideen und Ansätze verfolgt werden. Diese Ansätze, wie zum Beispiel das Antidiskriminierungsrecht oder eine stärkere Transparenz bei öffentlichen Aufträgen an Unternehmen, müssen sich erst etablieren. In dieser Übergangszeit werden sie auf kommunaler Ebene wegen ihrer Unbekanntheit stärker als regulierend wahrgenommen.

Bei den Bürgern tragen die politische Entfernung zu Brüssel und das Gefühl, nichts bewirken zu können, dazu bei. Die erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative „Right2Water“ hat aber gezeigt, dass die Unionsbürger durchaus Einfluss haben – und das auch gerade in einem Bereich, nämlich der Trinkwasserversorgung, die in Deutschland von den Kommunen geleistet wird. Oft sind diese neuen Regeln auch gerade die Regeln, die für die einzelnen Bürger eher Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen bringen, z.B. sauberes Trinkwasser, sicherere Lebensmittel oder besserer Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Internet. Was also vielleicht für die staatlichen Stellen kontrollierend wirkt, ist oft für den einzelnen Bürger von Vorteil.

Wie die EU auf kommunale Ebene hineinwirkt, ist auch Thema auf der Konferenz „A Threat to Autonomy? Control and Supervision of Local and Regional Government Activities” vom 26. bis 27. Juni an der FAU.

Weitere Informationen:

Dr. Eva Lohse
Tel.: 09131/85-22825
eva.j.lohse@fau.de