Wo die alten Talare wohnen

Violett für die Naturwissenschaftler, grau für die Techniker – Hausmeister Elmar Stolbinger kennt sich mit den Farben der alten Talare aus. Sie lagern im Dachboden des Kollegienhauses. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)
Violett für die Naturwissenschaftler, grau für die Techniker – Hausmeister Elmar Stolbinger kennt sich mit den Farben der alten Talare aus. Sie lagern im Dachboden des Kollegienhauses. (Bild: FAU/Georg Pöhlein)

Der Dachboden im Kollegienhaus: Serie über besondere Orte an der FAU

Das Wörtchen „unscheinbar“ beschreibt nicht nur den Ort selbst am besten, sondern auch den Weg dahin: Neben der Tür hängt wie überall im Kollegienhaus ein Schild mit der Raumnummer, 2.032. Sonst nichts. Kein Wort darüber, dass sich hinter der Tür eine abgetretene Holztreppe einen Stock höher windet und in den Dachboden führt. Kein Wort darüber, dass hier oben das Collegium Alexandrinum über ein Studierzimmer verfügt, in dem vergilbte Bücher in Regalen lagern. Kein Wort darüber, dass hier ein Stück Universitätsgeschichte hängt. Genau, hängt.

Über hundert Talare, manche mehr als ein halbes Jahrhundert alt

Hinter einer grauen Tür liegt ein Raum, in dessen Mitte deckenhohe Holzschränke, zwei Stühle und ein Kleiderständer stehen, keine Bilder an der Wand, nichts. „Hier hängen über hundert Talare, manche mehr als ein halbes Jahrhundert alt“, sagt Elmar Stolbinger, Hausmeister des Kollegienhauses. An den grauen Schranktüren markiert ein farbiger Strich, welche der ehemaligen Fakultäten hier zu Hause ist: schwarz für die Theologen, rot für die Juristen, grün für die Mediziner, blau für die Philosophen, violett für die Naturwissenschaftler und grau für die Techniker. Außerdem lagern hier oben die farblich passenden Barette, schwarze Untergewänder sowie weiße Rüschenärmel, Quasten und Vorhemden.

In den 60er Jahren war Schluss

Getragen wurden die Talare zu Anlässen wie dem Dies academicus und Amtseinführungen. Die Studentenproteste Ende der 60er Jahre beendeten diesen Brauch. Doch wer glaubt, dass die Roben seitdem auf dem Dachboden vor sich hinmodern und in Vergessenheit geraten, irrt. Zum einen, weil Hausmeister Stolbinger sie sorgsam pflegt. Zum anderen weil er ab und an Anrufe von Wissenschaftlern bekommt, die sich ein solches Gewand ausleihen wollen: „Meist brauchen die Professoren es für Termine im Ausland.“ Denn in manchen Ländern gehören die Universitätstrachten zu festlichen Anlässen einfach dazu.

Und wer an Absolventenfeiern in Amerika denkt, dem kommen sofort die berühmten fliegenden Hüte in den Sinn. Die Universität Bonn verabschiedet übrigens seit zehn Jahren ihre Studenten mit einem fakultätsübergreifenden Fest in großem Stil – die Professoren und Absolventen erscheinen dazu in Talare gekleidet. An der FAU kommen die Doktoranden am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften seit 2007 zu den Promotionsfeiern auf eigenen Wunsch in Talar, Schärpe und Doktorhut.

Wer übrigens die historischen FAU-Gewänder sehen will, der sollte im Erlanger Schloss das südliche Treppenhaus besuchen und sich die Gemälde genau anschauen: Die früheren Rektoren sind fast alle im Talar portraitiert.

Serie über besondere Orte an der FAU

An der FAU gibt es viele spannende Orte. Wir stellen sie im alexander regelmäßig vor. Im Blog finden Sie alle Beiträge zu den besonderen Orten an der FAU auch zusammengefasst auf einer Seite.

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alexander 94 InhaltsverzeichnisDieser Text erschien auch in unserem Magazin alexander. Weitere Themen der Ausgabe Nr. 94: ein Interview über Theorie und Praxis an Universitäten, ein Artikel über ein Gewächshaus, das für die Reise ins All fit gemacht wird und ein Bericht eines Studenten, der weitspringt und bei Olympia landet.