Geheimnis der Schmetterlingsforschung gelüftet

Schmetterling und Mikroskopaufnahmen
Der in Mexiko beheimatete Schmetterling Thecla opisena verdankt seine grün schillernde Farbe den optischen Eigenschaften von Millionen von photonischen Kristallen (periodische Strukturen aus Chitin), die auf den Flügelschuppen angeordnet sind. Wie die rasterelektronenmikroskopische Abbildung (rechts) zeigt, sind die photonischen Kristalle isoliert und nehmen in ihrer Größe entlang der Schuppe vom Ansatz zur Spitze zu. Dies eröffnet den Wissenschaftlern faszinierende Einblicke in die zeitliche Entwicklung solcher Kristalle während der Verpuppung. Hierzu trägt insbesondere die hochauflösende Röntgentomographie (NanoCT, unten links: Schnitt durch ein Tomogramm) bei, mit der sich die innere Struktur der photonischen Kristalle und deren Zusammenhang mit den begrenzenden Membranen in einmaliger Weise zerstörungsfrei untersuchen lassen. (REM: B. Wilts, NanoCT: CENEM/Zeiss-Xradia)

Erlanger Materialforscher tragen mit hochauflösender Röntgentomographie zum Verständnis bei, wie Schmetterlinge ihre schimmernden Flügelschuppen bilden

Es ist gerade einmal ein Jahr her, dass die Erlanger Materialforscher um Prof. Dr. Erdmann Spiecker, Inhaber des Lehrstuhls für Mikro- und Nanostrukturforschung und Sprecher des Centers for Nanoanalysis and Electron Microscopy (CENEM) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, den Zuschlag für eines der weltweit besten Röntgenmikroskope erhalten haben, und bereits jetzt konnten sie mit faszinierenden 3D-Analysen dazu beitragen, ein Geheimnis der Schmetterlingsforschung zu lüften. Die Forschungsergebnisse wurden jetzt in der renommierten Zeitschrift Science Advances veröffentlicht (DOI: 10.1126/sciadv.1603119).

Faszinierende Farben durch photonische Kristalle

In einem Moment ist man fasziniert von seiner grünen Farbenpracht, im nächsten ist er im tiefgrünen Regenwald wegen seiner perfekten Tarnung kaum noch zu erkennen: Die Rede ist von dem in Mexiko vorkommenden Schmetterling Thecla opisena. Verantwortlich für die strahlenden Farben sind nicht etwa Farbpigmente, sondern regelmäßige Strukturen aus Chitin, einem Mehrfachzucker. Physikalisch handelt es sich dabei um photonische Kristalle, die zu Hunderten in den Schuppen der Schmetterlingsflügel vorliegen. Aufgrund ihrer periodischen Struktur reflektieren sie gewisse Wellenlängen des Sonnenspektrums, wohingegen andere durchgelassen werden. Die resultierende Farbe ist dabei nicht zufällig, sondern dient zum Beispiel der Tarnung des Schmetterlings. Wie aber entstehen diese faszinierenden Strukturen auf den winzigen Schuppen der Schmetterlingsflügel? Darüber gehen die Meinungen der Wissenschaftler auseinander.

Eingefrorene Stadien der Kristallbildung

In einer Kooperation mit zwei führenden Experten der Schmetterlingsforschung, Dr. Bodo Wilts von der Universität Fribourg in der Schweiz und Dr. Gerd Schröder-Turk von der Murdoch-Universität Perth in Australien, sowie der Firma Zeiss-Xradia nutzten die Erlanger Materialforscher hochauflösende Mikroskopieverfahren, um das Rätsel zu lösen, wie sich die photonischen Kristalle bilden. Bei der Untersuchung des Thecla opisena stellten sie eine Besonderheit fest, die den Durchbruch ermöglichte. Anders als bei anderen Schmetterlingen sind die photonischen Kristalle auf den Flügelschuppen des Thecla opisena nämlich voneinander getrennt. Dabei nimmt die Größe der Kristalle entlang der Schuppe vom Ansatz bis zur Spitze kontinuierlich zu. Die Forscher gehen davon aus, dass die ursprüngliche Bildung der Kristalle während der Verpuppung in verschiedenen Stadien „eingefroren“ wurde. Die Kristalle geben also Auskunft über die verschiedenen Entwicklungsstadien – ähnlich wie die Jahresringe eines Baumes. Betrachtet man die winzigen Flügelschuppen somit unter dem Mikroskop, liegt die Bildungshistorie der photonischen Kristalle vor einem wie ein offenes Buch.

Röntgentomographie bringt feinste Details zum Vorschein

„Die hochauflösende Röntgentomographie konnte wesentliche Befunde zum tieferen Verständnis des Bildungsmechanismus beitragen”, erläutert Prof. Spiecker. So bestätigen die Analysen die Vorstellung, dass bei der Bildung der photonischen Kristalle flüssiges Chitin in eine aus Membranen gebildete „Gussform“ eingefüllt wird. „Durch die einmalige Möglichkeit der Röntgentomographie, die 3D-Struktur ganzer Flügelschuppen präzise zu analysieren, konnten wir aufklären, von wo das Chitin eingefüllt wurde.” Dr. Benjamin Apeleo Zubiri, der die 3D-Daten detailliert ausgewertet hat, ist begeistert: „Die Auflösung der Tomogramme ist so gut, dass nicht nur diese Frage geklärt werden konnte, sondern sogar die Chiralität jedes einzelnen photonischen Kristalls sichtbar wurde.” Die photonischen Kristalle besitzen nämlich eine Art Spiralstruktur – ähnlich einer Wendeltreppe –, die entweder rechts oder links gedreht ist. Diese Chiralität oder Händigkeit führt auch zu optischen Effekten und konnte bisher nur mittels Elektronentomographie aufgedeckt werden, wie die Erlanger Materialforscher in einer früheren Arbeit zeigen konnten. Für die Elektronentomographie mussten die Flügelschuppen jedoch in kleine Segmente zerschnitten werden, was gravierende Nachteile hat.

Wie Schmetterlinge den Materialwissenschaftlern helfen

Auch wenn die Erlanger Materialwissenschaftler um Prof. Spiecker nun schon seit einigen Jahren an Schmetterlingsflügeln forschen, ist dies doch eher eine exotische Anwendung für sie. „Normalerweise nutzen wir unsere hochauflösenden Mikroskopie- und Tomographieverfahren, um moderne Funktionswerkstoffe und Materialien für Energieanwendungen besser zu verstehen und für ihren Einsatz zu optimieren. Das neue Röntgenmikroskop wird uns auch hier ganz neue Einblicke ermöglichen, etwa bei der Untersuchung poröser Strukturen für katalytische Anwendungen oder bei der Suche nach winzigen Fehlern in Turbinenwerkstoffen.” Doch die Materialwissenschaftler hoffen auch, von den Erkenntnissen über Schmetterlingsflügel zu profitieren. Denn die 3D-Strukturen der photonischen Kristalle können mit ihren einzigartigen optischen Eigenschaften als Vorbild für neuartige Funktionsmaterialien dienen, zum Beispiel für Anwendungen in der Photovoltaik.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Erdmann Spiecker
Tel.: 09131/85-28603
erdmann.spiecker@fau.de