Medizinhistorische Vortragsreihe 2019: ein Blick zurück

Kollegienhaus
Bild: FAU/Erich Malter

Über griechische Heilkulte und die Geschichte des Trauma-Konzepts

Ein Blick zurück in die Geschichte der Medizin – das ist die Idee hinter der Medizinhistorischen Vortragsreihe an der FAU. Im Wintersemester veranstaltet das Institut für Geschichte und Ethik der Medizin zwei weitere Vorträge: Die erste Veranstaltung beschäftigt sich mit griechischen Heilkulten, die zweite mit der Geschichte des Trauma-Konzepts in Deutschland. Die Vorträge im Kollegienhaus beginnen jeweils um 18.15 Uhr, der Eintritt ist frei.

Bitte beachten Sie: Der für den 20. Januar 2020 angekündigte Vortrag zum Thema Trauma fällt leider aus. Er wird voraussichtlich in einem kommenden Semester nachgeholt.

Am Montag, 2. Dezember, widmet sich Franziska Weise, Universität Hamburg, in ihrem Vortrag „Amphiaraos, der göttliche Pneumologe? Zur Aussagekraft von Gliedervotiven über die Spezialisierung griechischer Heilkulte“ der Interpretation antiker Gliedervotive aus historischer Perspektive. Solche Votive sind Darstellungen menschlicher Körperteile aus unterschiedlichen Materialien, die von einem Adoranten zumeist als Dank für oder als Bitte um Genesung an Heilheroen und -götter wie Asklepios geweiht wurden. Weist ein Heilkult eine hohe Anzahl einer bestimmten Votivdarstellung auf, tendiert die Forschung mithin dazu, dem Kultinhaber eine Spezialisierung auf die Heilung einer bestimmten Krankheit zuzusprechen. Demnach gilt die Göttin Demeter etwa aufgrund des Fundes zahlreicher Augendarstellungen seit langem als „Augenärztin“. Ist es nun mit den Weihungen des Sophainetos gerechtfertigt, ihm ein chronisches Lungenleiden zu attestieren und in Amphiaraos einen göttlichen Lungenexperten zu sehen? Wie können moderne Historikerinnen und Historiker die Bedeutung dieser Körperteilvotive für antike Betrachterinnen und Betrachter ermitteln?

Im zweiten Vortrag am Montag, 20. Januar, steht das Thema Trauma im Mittelpunkt. In ihrem Vortrag „‚Siegfried in Afghanistan‘ – Die Karriere des Trauma-Konzepts in Deutschland, 1980–2015“ zeichnet Dr. Anne Freese, Humboldt-Universität zu Berlin, die Entstehung, Adaption und Stabilisierung der Diagnose eines Traumas nach und fragt nach den mit ihr verbundenen verwissenschaftlichten Identitätsangeboten und kontroversen Historisierungsansätzen. Das Trauma-Konzept ist heute ein, wenn nicht sogar das zentrale hermeneutische Konzept, mittels dessen im nordamerikanischen und europäischen Raum das Verhältnis zwischen Gewalterfahrungen, ihrer Verarbeitung in der Psyche und ihren psychischen und somatischen Folgeerscheinungen gedacht wird. Das derzeit populärste Trauma-Konzept – die Diagnose der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) – wurde 1980 auf das Betreiben wissenschaftlich-politischer Kampagnen im Umfeld der Vietnamveteranenbewegung hin in das amerikanische Diagnosemanual aufgenommen. Seit den 1990er-Jahren verzeichnete die Diagnose auch in der Bundesrepublik einen enormen Bedeutungsaufstieg und wurde insbesondere in Bezug auf ehemalige politische Häftlinge in der DDR, Afghanistanheimkehrende und Betroffene sexueller Gewalt diskutiert.

Wann und wo?

2. Dezember und 20. Januar, 18.15 Uhr
Hörsaal 1.016, Kollegienhaus, Universitätsstraße 15, Erlangen

Weitere Informationen

Prof. Dr. Karl-Heinz Leven
Tel.: 09131/85-22094
karl-heinz.leven@fau.de