Dr. Helen Kaufmann

Humoldt-Forschungssstipendiatin Dr. Helen Kaufmann
Bild: Dr. Helen Kaufmann

Forschungsstipendiatin der Alexander von Humboldt-Stiftung und Gastwissenschaftlerin am Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latein)

Dr. Helen Kaufmanns Forschungsinteresse gilt der spätlateinischen Dichtung, Intertextualität, dichterischen Gattungen, lokalen Identitäten sowie der Rezeption.

1999 schloss sie ein Studium der Anglistik und Klassischen Philologie an der Universität Basel ab. Anschließend erlangte sie ein Diplom für das Höhere Lehramt in Englisch, Latein und Griechisch an der Universität Bern. Von 2000 bis 2005 promovierte Dr. Kaufmann in Klassischer Philologie an der Universität Fribourg und schloss ihre Dissertation mit summa cum laude ab.

Bereits während ihrer Promotion ging Dr. Kaufmann für ein Jahr als Fulbright Scholar an das Classics Department der University of Wisconsin-Madison, USA. Auch nach ihrer Promotion führte ihr Weg in die USA – als Dozentin für Klassische Philologie am Department of Greek and Latin der Ohio State University, Columbus. Anschließend war Dr. Kaufmann hauptsächlich als Dozentin für Klassische Philologie an verschiedenen Colleges der Universität Oxford wie auch in der Erwachsenenbildung und teilweise der Schule tätig.

2020 wird Dr. Kaufmann ihre Forschung zur lateinischen Dichtung der Spätantike am Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latein) der FAU weiter vertiefen. Ihr Aufenthalt wird von der Alexander von Humboldt-Stiftung unterstützt.

Der Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latein) unter Leitung von Prof. Dr. Schubert hat ein starkes Interesse an und eine große Expertise in Bezug auf die lateinische Dichtung der Spätantike. Die FAU hat einen sehr guten Ruf und eine exzellente Bibliothek und Erlangen ist eine angenehme Stadt, weder zu groß noch zu klein.

Dr. Kaufmann, was ist Ihr Forschungsgebiet und was hat ursprünglich Ihr Interesse an diesem Gebiet geweckt?

Mein Forschungsgebiet ist die Lateinische Dichtung der Spätantike. Latein war schon seit Schulzeiten mein Lieblingsfach, und bei lateinischen Texten mag ich die Dichtung lieber als die Prosa. Ich landete in der Spätantike, weil es eine sehr faszinierende Zeit war – viel näher an unserer heutigen Welt als zum Beispiel das Rom von Caesar oder Cicero – und weil bislang vergleichsweise wenig zur Literatur der Spätantike geforscht wurde.

Sie sind momentan Gastwissenschaftlerin am Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latein). An was forschen Sie während Ihres Aufenthalts an der FAU?

Ich schreibe ein Buch über lokale Identitäten in der lateinischen Dichtung der Spätantike. Dafür untersuche ich, wie sich die Dichtung über Ort und Raum äußert, zum Beispiel über die Regionen, aus denen die Dichter kamen, über das römische Imperium oder über den Einfluss von Migration auf Identitäten.

Wie würden Sie Bedeutung Ihrer Forschung für die Gesellschaft einschätzen?

Heute sehen viele Menschen ihren Herkunfts- oder Wohnort, oft auch ihre Nationalität, als Teil ihrer Identität, und die Verbindung von Ort und Identität ist auch ein beliebtes Thema in der modernen Literatur, zum Beispiel in Saša Stanišićs Herkunft. In meiner Forschung, die eben diese Verbindung von Ort und Identität in der spätlateinischen Dichtung untersucht, habe ich herausgefunden, dass dem Herkunfts- oder Wohnort in der Beschreibung von Identität weit weniger Bedeutung beigemessen wird. Für die heutige Gesellschaft ist es interessant den Zusammenhang zwischen Identität und Ort als eine Wahl statt einer Notwendigkeit zu betrachten.

Warum haben Sie sich für die FAU als Gastuniversität entschieden?

Der Lehrstuhl für Klassische Philologie (Latein) unter Leitung von Prof. Dr. Schubert hat ein starkes Interesse an und eine große Expertise in Bezug auf die lateinische Dichtung der Spätantike. Die FAU hat einen sehr guten Ruf und eine exzellente Bibliothek und Erlangen ist eine angenehme Stadt, weder zu groß noch zu klein.

Soweit ich das beurteilen kann hat das Vereinigte Königreich durch die EU-Mitgliedschaft mehr gewonnen als verloren.

Sie lehren ansonsten an der Universität Oxford. Konnten Sie bereits Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen der FAU und Oxford feststellen?

Die FAU hat eine weniger komplizierte Struktur als die Universität Oxford und wirkt weniger arrogant: Beides erleichtert das Leben. Da ich aber in Oxford vor allem unterrichtet habe und hier forsche, ist es schwierig, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen.

Sie und Ihre Familie sind bereits im September 2019 nach Erlangen gekommen. Hatten Sie schon die die Möglichkeit sich etwas einzuleben? Wie gefällt Ihnen und Ihrer Familie Erlangen und die umliegende Region?

Ja, danke! Wir mögen Erlangen, vor allem unser deutlich größeres und besser isoliertes Haus und die Fahrradwege in und um Erlangen: In Oxford ist der Platz begrenzt, sowohl für Häuser als auch Straßen, und die Fahrradwege enden in der Regel dort, wo Straßen eng werden, also genau dort, wo man sie am meisten brauchen würde.

Was denken Sie über den Brexit?

Soweit ich das beurteilen kann hat das Vereinigte Königreich durch die EU-Mitgliedschaft mehr gewonnen als verloren. In diesem Sinne wäre es für das Vereinigte Königreich sinnvoller gewesen in der EU zu bleiben. Ich kann aber auch verstehen, dass (die Idee von) Unabhängigkeit attraktiv ist. Außerdem haben viele “Leave”-Wähler das Referendum als eine seltene Gelegenheit für politische Mitsprache genutzt. Meiner Meinung nach war nicht das Ergebnis des Referendums das Problem, sondern was von den Politikern daraus gemacht wurde, vor allem solchen, die ihre eigenen Interessen über die des Landes stellen, die ohne mit der Wimper zu zucken lügen und manipulieren und die nicht davor zurückgeschreckt sind ihr Land zu spalten, nur weil es ihren Zwecken dient.

Vielen Dank für das Interview, Dr. Kaufmann.