“Ein Zurück zu einer Vor-Corona-Normalität wird es nicht geben”

FAU-Kanzler Christian Zens
FAU-Kanzler Christian Zens (Bild: FAU/Thomas Ritter)

Interview mit FAU-Kanzler Christian Zens

FAU-Kanzler Christian Zens über die Monate der Corona-Pandemie, Homeoffice, Vertrauensarbeitszeit und die Chance, die positiven Entwicklungen der Krise nach Corona im Normalbetrieb zu verankern.

Wie waren die letzten Monate für Sie?

Sehr stressig – wie für die allermeisten Kolleginnen und Kollegen. Erst haben wir den Betrieb heruntergefahren und dann ohne großes Intermezzo wieder hoch. Dafür mussten wir stark auf Sicht fahren. Wenn man nicht weiß, was kommt, ist das natürlich belastend.

Einmal in der Woche trifft sich der Corona-Krisenstab der FAU. Was ist Ihre Aufgabe dort?

Die Universitätsleitung trifft sich täglich, der Krisenstab wöchentlich. Da erwachsen schnell Arbeitsaufträge. Ich sorge dafür, dass die Verwaltung diese Aufträge umsetzt. Außerdem habe ich eine beratende Funktion, zum Teil auch eine mahnende Funktion. Wenn es zum Beispiel darum geht, den Betrieb für bestimmte Gruppen wieder aufzunehmen, weise ich auf die vorhandene Infrastruktur und die Logistik hin. Es reicht nicht, sich bestimmte Ziele zu setzen. Diese müssen auch bewertet werden: Sind sie umsetzbar? In welchem Zeitraum? Was ist noch zu bedenken – was Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft oder die Finanzen?

Was hat Ihnen während der Corona-Pandemie am meisten Angst gemacht – und was am meisten Zuversicht gegeben?

Angst hatte ich keine. Respekt – ja. Und auch eine gewisse Unsicherheit. Keiner wusste, was auf uns zukommt, nicht einmal die Wissenschaft – die auch bis heute nicht vollumfänglich beantworten kann, womit wir es hier zu tun haben. Anfangs hat man als aufmerksamer Zeitungsleser mitbekommen: Da tut sich was in China. Das war noch weit weg. Auch als in Bayern der erste Fall aufgetaucht ist, hat man noch nicht unmittelbar gespürt, was da passierte. Dann ging es Schlag auf Schlag. Täglich gab es neue Erkenntnisse und Verlautbarungen. Sich darauf einzustellen, war schwierig und natürlich hatte ich Respekt davor, eine Universität mit über 35.000 Studierenden und tausenden von Mitarbeitenden sicher durch die Krise zu bekommen.

Zuversichtlich war ich von Anfang an, was die Kompetenz der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. Es sind täglich Herausforderungen auf uns zugekommen. Wir konnten nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen. Doch alle haben ein enormes Engagement an den Tag gelegt und eine genauso große Flexibilität bewiesen. Das hat mich sehr beeindruckt und da bin ich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Herzen dankbar und auch stolz auf diesen enormen Arbeitseinsatz.

Wie sieht ihr Arbeitsplatz momentan aus?

Ich sitze nach wie vor jeden Tag im Büro. Natürlich haben sich die Kommunikationsmittel verändert. Die vielen Dienstbesprechungen bei mir im Zimmer werden größtenteils ersetzt durch Videokonferenzen oder Telefonate. Und die Dienstreisen sind auf Null gefahren.

Wird Corona das Arbeiten an der FAU nachhaltig verändern?

Da bin ich sicher. Ich kann mir nicht vorstellen, und das gilt wahrscheinlich auch für uns alle in unserem privaten Leben, dass wir irgendwann in die Vor-Corona-Normalität zurückkehren. Das heißt, wir müssen die Möglichkeiten der Digitalisierung für uns ausloten. Wir werden über Arbeitsformen diskutieren – Homeoffice ist da einer der Punkte. Und wir werden entsprechend unser Verhalten überdenken müssen, wenn es um Dienstreisen geht. Ich habe es selbst durchaus als positiv empfunden, eine ganze Reihe von Reisen durch Videokonferenzen zu ersetzen. Wobei ich definitiv davor warne, alles, was wir vorher in Person gemacht haben, jetzt eins zu eins durch Videokonferenzen zu ersetzen und das gleiche Ergebnis zu erwarten. Da muss eine vernünftige Balance gefunden werden. Das wird ein Lernprozess sein. Aber ich bin fest davon überzeugt, ein Zurück zu einer Vor-Corona-Normalität wird es nicht geben und da will ich auch definitiv nicht hin.

Also auch nach Corona noch Homeoffice? Ist das so einfach machbar?

Es gibt durchaus Stimmen aus der Mitarbeiterschaft, die sagen: Ich würde gern wieder zurückkommen ins Büro, weil mir die sozialen Kontakte im Kollegenkreis fehlen oder auch zu den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern oder Studierenden. Letztendlich müssen wir erst einmal definieren, wo wir hinwollen. Das ist ein Diskussionsprozess, den ich anschieben möchte. Dazu gehört, nicht nur mit den Personalvertretungen ins Gespräch zu kommen, sondern auch ein geeignetes Format zu entwickeln, um Input aus der Mitarbeiterschaft zu bekommen. Wir sollten definitiv alle zusammen überlegen: Was hat uns gefallen? Was ist gut? Wo können wir uns hin entwickeln? Was brauchen wir dafür?

Was ist Ihr Zwischenfazit zum Thema Homeoffice? Gibt es Qualitätsunterschiede?

Nein, Qualitätsunterschiede kann ich nicht erkennen. Mit der Erreichbarkeit ist es zurzeit noch nicht so, wie ich mir das vorstelle. Das liegt aber nicht an den Kolleginnen und Kollegen, sondern an den technischen Voraussetzungen. Wenn jemand Kontakt zur FAU aufnimmt, sollte diese Person nicht merken, ob wir im Homeoffice sitzen oder im Büro. Deshalb müssen wir da, wo es um telefonische Kontaktaufnahme geht, die Möglichkeit einer Rufumleitung schaffen. Das geht bisher nur sehr eingeschränkt, weil unsere Telefonanlage das nicht hergibt. Und da wo es geht, haben wir dem Universitätsklinikum die Leitungen zur Verfügung gestellt, weil der Bedarf dort noch größer war, als bei uns. Für die Zukunft heißt das: Was können wir tun, um solche Probleme zu lösen?

Gibt es schon Pläne, wann die Mitarbeitenden wieder verstärkt ins Büro kommen sollen?

Bis auf Weiteres gilt die bayernweite Vorgabe der Staatsregierung, dass Homeoffice nach wie vor das Mittel der Wahl ist. Wir können auch danach nicht ohne Weiteres den Schalter umstellen und alle wieder zurückkommen und in Präsenz so arbeiten, wie wir es vor der Corona-Pandemie gekannt haben – zum Beispiel gemeinsam in einem Raum. Dazu muss ich sehen, welche Vorsichtsmaßnahmen wir künftig beachten müssen. Wir sind ja immer noch in der Phase, wo es weder ein Medikament noch eine Impfung gegen das Virus gibt. Das heißt, wir müssen bis auf Weiteres mit Hygienemaßnahmen im privaten wie dienstlichen Umfeld leben. Hier gilt im Wesentlichen das Abstandsgebot und die Maskenpflicht.

Ist geplant, auch die Vertrauensarbeitszeit zu verlängern?

Ende Juli geben wir die Vertrauensarbeitszeit flächendeckend auf. Solange sie gilt, wird von der Regelarbeitszeit ausgegangen und davon, dass die Beschäftigten diese einhalten – ob sie mehr oder weniger arbeiten, wird nicht kontrolliert. Das heißt aber auch, dass keine Möglichkeit besteht, Überstunden anzusammeln. Jetzt mehrten sich die Nachfragen, wie es denn dann mit der Betriebsschließung über den Jahreswechsel aussieht. Einige Beschäftigte sammeln ihre Überstunden, um dann mit ihren Gleittagen diese Zeit zu überbrücken. Unter anderem deshalb geben wir die Vertrauensarbeitszeit wieder auf.

Also kehren wir nicht wieder in unsere Büros zurück, weil die Vertrauensarbeitszeit endet?

Das müssen wir deutlich unterscheiden: Die Vertrauensarbeitszeit hat nichts damit zu tun, ob ich im Homeoffice bin oder nicht.

Haben Sie einen Rat, wie wir gut durch die nächsten Monate kommen?

Mir geht es weniger um einen Tipp als um eine Bitte. Ich glaube, dass wir alle dazu aufgefordert sind – und nicht nur die Universitätsleitung oder ich als Chef der Verwaltung, sondern alle von uns – zu schauen: Wie kann ich mein Arbeiten verändern? Das heißt natürlich auch, dass wir insbesondere das schon lange vor Corona begonnene Digitalisierungsprojekt für die Verwaltung stärker forcieren wollen. Mit MOVE@FAU sind wir schon im Jahr 2018 gestartet. Jetzt wird das Projekt noch mehr Fahrt aufnehmen müssen. Hier sind wir alle gefordert. Und ich sehe, dass es auch schon sehr viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, die sich hier engagieren und die Chance ergreifen, mehr Geschwindigkeit hereinzubringen.