Wie steht es um das Wahlrecht von wohnungslosen Menschen?

PD Dr. Michael Krennerich vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik. (Bild: Harald Sippel)
Prof. Dr. Michael Krennerich vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik. (Bild: Harald Sippel)

FAU-Menschenrechtler sieht die Bereiche Wahlrecht, Registrierung zur Wahl und Wahlrechtsnutzung kritisch

Es ist das zentrale Recht der Staatsbürgerinnen und Staatsbürger in einer Demokratie: Das allgemeine Wahlrecht ist menschenrechtlich verankert und gewährleistet ihnen, gleichberechtigt an Wahlen und damit an der Gestaltung des Gemeinwesens sowie der demokratischen Legitimation politischer Entscheidungen beteiligt zu sein. Doch nicht alle Wahlberechtigten in Deutschland können ihr Grund- und Menschenrecht auch immer problemlos ausüben. Wie sieht es etwa mit Menschen aus, die wohnungslos sind? Mit dieser Frage hat sich Prof. Dr. Michael Krennerich von der FAU in der Studie „Wahlrecht von wohnungslosen Menschen“ umfassend auseinandergesetzt.

In seiner Analyse nimmt der Politikwissenschaftler vom Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der FAU und Vorsitzende des Nürnberger Menschenrechtszentrums (NMRZ) in den Blick, unter welchen Bedingungen auch wohnungslose Menschen in Deutschland ihr Wahlrecht ausüben können. Die gemeinsam vom Deutschen Institut für Menschenrechte und NMRZ herausgegebene Studie möchte damit Politik, Gesellschaft und Wissenschaft dazu anregen, sich mit diesem bisher kaum untersuchten Thema stärker zu beschäftigen. Konkret benannt werden drei Problembereiche: Sie betreffen das Wahlrecht, die Registrierung zur Wahl sowie die tatsächliche Wahlrechtsnutzung.

Lokal verwurzelt, aber trotzdem ausgeschlossen

Als zentralen Kritikpunkt identifiziert die Analyse den Wahlrechtsausschluss von wohnungslosen Menschen ohne feste Meldeadressen im Kommunalwahlrecht einiger Bundesländer (Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Saarland). „Viele Wohnungslose, auch jene, die auf der Straße leben, halten sich für lange Zeit in ihren Gemeinden auf, haben dort ihre Netzwerke und ihren Lebensschwerpunkt, sind lokal verwurzelt und fester Bestandteil des kommunalen Lebens. Allein deshalb sollten sie das Recht haben, auch bei Kommunalwahlen zu wählen“, kritisiert Prof. Dr. Michael Krennerich.

Eintragung in das Wählerverzeichnis erleichtern

Hinzu kommen die Hürden, die wohnungslose Menschen überwinden müssen, wenn sie ihr aktives und passives Wahlrecht in Anspruch nehmen wollen. Alle wohnungslosen Wahlberechtigten, die keine Meldeadresse haben und damit nicht automatisch in das Wählerinnen- und Wählerverzeichnis aufgenommen werden, müssen sich selbst aktiv um eine Registrierung zur Wahl bemühen. Prof. Dr. Michael Krennerich betont: „Im Unterschied zu anderen Wahlberechtigten müssen sie einen großen Aufwand betreiben, um ihr Wahlrecht zu nutzen.“ Aus diesem Grund fordert die Analyse, wohnungslosen Menschen ohne Meldeadresse die Eintragung in das Wählerinnen- und Wählerverzeichnis zu erleichtern. Außerdem empfiehlt sie die gezielte Erstellung und Verteilung von Wahlinformationen an Wohnungslose, um deren Wahlrechtsnutzung zu fördern.

Menschenrecht auf Wohnen umfassend umsetzen

Gleichzeitig mahnt die Studie, dass ernsthafte Bemühungen, die Wahlrechtsnutzung von Wohnungslosen zu fördern, aber vor allem die politisch oft nur verwaltete soziale Notlage der Wohnungslosigkeit überwinden müssen. „Sie ist einer aktiven politischen Beteiligung abträglich. Das heißt nicht, dass Wohnungslose allesamt unpolitisch wären. Doch ist es unter den Bedingungen der Wohnungslosigkeit besonders schwierig und herausfordernd, sich politisch zu betätigen. Hier ist die Politik gefordert, sich des Problems anzunehmen“, gibt der Professor am Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik zu bedenken. „Bei allen Kontroversen über die zu ergreifenden Maßnahmen geht es letztlich darum, das Menschenrecht auf Wohnen in Deutschland möglichst umfassend umzusetzen. Als Maßstab dient hier der offene, diskriminierungsfreie und bezahlbare Zugang zu angemessenem Wohnraum, dessen Verfügbarkeit und Nutzung für alle zu gewährleisten und zu schützen sind.“

Die Studie kann auf der Webseite des Deutschen Instituts für Menschenrechte heruntergeladen werden.

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Michael Krennerich
Tel.: 09131/ 85-23271
michael.krennerich@fau.de


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