„Photovoltaik lernt schwimmen und fliegen“

Portrait Prof. Dr. Christoph Brabec
Prof. Dr. Christoph Brabec, Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie) an der FAU, forscht zu Photovoltaik. (Bild: Michael Strobl)

Interview mit FAU-Werkstoffwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Brabec

Es klingt wie Science-Fiction, könnte aber bald schon Realität sein: Photovoltaikanlagen, die schwimmen oder fliegen, weil sie sehr dünn und äußerst leicht sind. Woraus diese sogenannten „emerging-Photovoltaics“ (e-PV) bestehen und warum sie die Zukunft von Photovoltaik sind, erklärt Prof. Dr. Christoph Brabec im Interview. Er beschäftigt sich am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften der FAU mit Materialien der Elektronik und der Energietechnologie und hat zusammen mit seinem Team eine e-PV-Datenbank aufgebaut.

Herr Professor Brabec, was genau sind „Emerging Photovoltaics“?

Wörtlich übersetzt handelt es sich bei „emerging-Photovoltaics“ (e-PVs) um aufstrebende neuartige Photovoltaiktechnologien. Sie versprechen, kostengünstige und skalierbare Technologien für den Photovoltaik-Markt sowie neue und vielseitige Anwendungen mit einem hohen Wirkungsgrad. Welche Materialien sich dafür besonders gut eignen, erforschen wir am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften der FAU. Vielversprechend ist zum Beispiel Perowskit, ein relativ häufiges Mineral aus der Mineralklasse der Keramiken, Oxide und Halide.

Warum brauchen wir diese neue Generation von Solarzellen?

Im Moment bestehen die meisten Solarzellen aus Silizium und haben immerhin einen Laborrekordwirkungsgrad von über 26 Prozent. Wollen wir die weltweiten Klimaziele erreichen, müssen wir aber immer mehr Photovoltaikmodule installieren und brauchen dafür riesige Flächen. Weil diese nur begrenzt zur Verfügung stehen, wir eine Versiegelung der Landschaft vermeiden und die Flächen lieber für den Anbau von Lebensmitteln nutzen wollen, setzen wir auf neue nachhaltige Technologien und einen Effizienzsprung. Dann, so hoffen wir, bleibt Photovoltaik weiterhin die Energieform mit der höchsten Akzeptanz in der Bevölkerung in Deutschland.

Wie unterscheiden sich Emerging PVs von herkömmlichen Photovoltaiktechnologien?

Die neuen Photovoltaikmodule sind deutlich dünner, leichter und flexibler als die herkömmlichen Modelle und eine echte Zukunftstechnologie. Dank der neuen Materialien ist die aktive Schicht bei emerging-PVs nur noch weniger als ein Tausendstel Millimeter (weniger als ein Mikrometer) dick und kann bei niedrigen Temperaturen aus einer Lösung prozessiert werden. So können wir auch auf Folien gehen und die Solarzellen schnell und kostengünstig ausdrucken. Diese Dünnschicht-Module eignen sich ideal für mobile Anwendungen, zum Beispiel für schwimmende Photovoltaikanlagen auf Baggerseen oder für solarbetriebene Flugobjekte. Photovoltaik lernt also gerade schwimmen und fliegen.

Für wen ist die neue Technologie gedacht?

Wir sehen drei große Anwendungsbereiche: in der Landwirtschaft, an Gebäuden und bei der Mobilitätsinfrastruktur. Im Agrarbereich könnten wir zum Beispiel die Folientunnel von Gewächshäusern semitransparent photovoltaisch ausstatten und gleichzeitig Strom produzieren und das Pflanzenwachstum fördern. Im Gebäudesektor sind Folienelemente zum Aufkleben auf Fassaden und komplett transparente Solarmodule für Fenster- und Glasflächen denkbar. Bei der Mobilitätsinfrastruktur geht es zum Beispiel um ferngesteuerte und komplett energieautonome Fluggeräte. Solarbetriebene Zeppeline oder LTA (lighter than air) Fluggeräte, das ist eine Mischung aus Zeppelin und Drohne, könnten Lasten transportieren und sich bei ihrer Flugroute am Sonnenstand ausrichten.

Woran forschen Sie selbst aktuell?

Unsere Forschungsaktivitäten am Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften der FAU zielen darauf ab, die technologische Basis für emerging-PVs zu schaffen. Wir betreiben Beschleunigungsforschung und haben unseres Wissens weltweit die erste roboterbasierte Anlage entwickelt, die so komplexe Probleme autonom optimieren kann. Darüber hinaus bieten wir eine offene Datenbank für Forschende aus der ganzen Welt, in der sie ihre Forschungsergebnisse über emerging-PVs online auflisten können. Unsere Diagramme sind interaktiv und bieten zusätzliche Informationen, beispielsweise einen Link zu den entsprechenden Forschungspapieren.

Mehr Informationen:

Prof. Dr. Christoph Brabec
Lehrstuhl für Werkstoffwissenschaften (Materialien der Elektronik und der Energietechnologie)
christoph.brabec@fau.de
https://emerging-pv.org