Welche Zukunft denkbar ist

Fatima El Tayeb
Bild: Mara Lavitt

Drei Fragen an Prof. Dr. Fatima El-Tayeb

Fatima El-Tayeb forscht in den Bereichen Ethnizität, Rasse und Migration. Wegen ihrer Expertise im Forschungsschwerpunkt Kulturelle Werte hat die Universität ihr 2023 die Würde der FAU-Botschafterin verliehen.

Frau El-Tayeb, woran genau forschen Sie?

Meine Arbeit dreht sich um europäische Identitätsnarrative, insbesondere um solche, die den Kontinent gleichzeitig als „historisch weiß” und als rassismusfrei konstruieren. Momentan liegt mein Fokus auf der Neuinterpretation der europäischen Geschichte nach 1989 und der darin mangelnden Berücksichtigung des Kolonialismus. Zentral sind für mich aber nicht nur dominante Narrative, sondern auch Widerstandsstrategien rassifizierter Communitys – insbesondere solcher, die eine intersektionale, queere Kunstpraxis mobilisieren.

Warum interessiert Sie dieses Thema?

Mir als schwarzer Deutscher war es unmöglich, die essentialistische Definition von Deutsch- und Europäischsein zu ignorieren, da sie mich immer wieder als Unmöglichkeit positioniert hat – warum das so war und wie sich diese Ausgrenzung ändern lässt, interessierte mich natürlich. Für mich als Historikerin ist Geschichte lebendig und dynamisch mit der Gegenwart und Zukunft verbunden: Wie wir uns als Individuen und Kollektive erinnern, hängt davon ab, wo wir uns heute sehen und welches Morgen wir anstreben. Erinnerungsdiskurse machen die Vergangenheit les- und nutzbar für unser Heute, sie definieren, was Geschichte ist und bleibt, was die Gegenwart ausmacht und welche Zukunft denkbar ist.

 Was möchten Sie als FAU Ambassadorin bewegen?

Das eurozentrische Grand Narrative, das „Fortschritt” fetischisiert, in Europa lokalisiert und mit Expansion gleichsetzt, hat uns als Menschheit an den Rand des Abgrunds geführt. Wir brauchen dringend neue, pluralistische Narrative, die die Perspektiven und Erinnerungen aller Bevölkerungsgruppen repräsentieren. Dazu möchte ich als Forscherin ebenso wie als Botschafterin der FAU nachdrücklich beitragen.

Fatima El Tayeb
Bild: Mara Lavitt

Prof. Dr. Fatima El-Tayeb studierte Amerikanistik und moderne europäische Geschichte an der Universität Hamburg, wo sie in Geschichte auch promovierte. Anschließend lehrte sie als Gastdozentin an der University of Tennessee, Knoxville, USA. Ab 2004 lehrte und for­schte sie an der University of California in San Diego, USA. 2021 wurde die Wissenschaftlerin an die Yale University, New Haven (Connecticut), USA, berufen, wo sie als Professorin für Ethnizität, Race und Migration sowie für Frauen-, Geschlechter- und Sexualstudien tätig ist. 2023 wurde ihr die Würde der FAU Ambassadorin verliehen.


Dieser Artikel ist Teil des FAU Magazins

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