Neues Programm soll Versorgungslücke für junge Menschen mit Depressionen schließen

Frau tippt am Handy
Bild: AdobeStock, sebra

Mit der Chatbot-App zurück ins Leben

Das neu entwickelte Programm iCAN (intelligente, Chatbot-assistierte ambulante Nachsorge) soll 13- bis 25-jährigen Menschen mit Depressionen dabei helfen, nach einer Klinikbehandlung gut in ihren Alltag zurückzukehren. iCAN besteht aus einer Chatbot-App und Telefongesprächen mit Psychologinnen und Psychologen. Die Wirksamkeit des dreimonatigen Programms wird seit Oktober 2023 in einer deutschlandweiten Studie überprüft, an der auch die Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik (Direktor: Prof. Dr. Johannes Kornhuber) sowie die Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit (Leiter: Prof. Dr. Gunther Moll) des Uniklinikums Erlangen beteiligt sind.

Depressionen zählen weltweit zu den häufigsten und schwerwiegendsten psychischen Erkrankungen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. In Deutschland sind rund sechs Prozent aller Kinder und Jugendlichen betroffen. In schweren Fällen ist oft ein Klinikaufenthalt nötig. Nach der Entlassung ist eine zeitnahe ambulante Nachsorge von entscheidender Bedeutung. Diese kann in Form von ambulanter Psychotherapie und/oder psychiatrischer Weiterbehandlung erfolgen. Ziel ist dabei, Rückfälle zu verhindern und die in der Klinik erzielten Fortschritte zu festigen.

iCAN-Programm als Antwort auf lange Wartezeiten für Therapieplätze

Oft stellt der Übergang von einer stationären Depressionsbehandlung in die ambulante Nachsorge eine Herausforderung dar. Die langen Wartezeiten auf Therapieplätze von durchschnittlich sechs Monaten – in ländlichen Regionen oft noch länger – erschweren den Zugang. Auch zögern viele junge Betroffene aufgrund von Scham oder dem Wunsch, ihre Probleme selbst zu bewältigen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Hier setzt das iCAN-Programm an: Junge Menschen mit Depressionen erhalten nach ihrem Klinikaufenthalt Zugang zur iCAN-App, in der sie Übungen machen, die dabei helfen, im Alltag besser zurechtzukommen. Dabei werden die Nutzerinnen und Nutzer von einem Chatbot unterstützt, der regelmäßig nach ihrer Stimmung fragt und sie motiviert, die Übungen zu nutzen. Zudem erleichtert der in die iCAN-App integrierte Navigator die Suche nach einer Anlaufstelle, z. B. einer ambulanten Therapie. Zusätzlich erhalten die Patientinnen und Patienten eine persönliche Begleitung durch Telefongespräche mit Psychologinnen und Psychologen.

Studie zur Überprüfung der Wirksamkeit des Programms

Eine groß angelegte klinische Studie soll nun ermitteln, ob iCAN-Teilnehmende nach drei bzw. sechs Monaten weniger depressive Symptome aufweisen als Studienteilnehmende, die die Standardversorgung erhalten. Zusätzlich wird analysiert, ob iCAN-Teilnehmende schneller passende Nachsorgeangebote finden und seltener erneut in der Klinik behandelt werden müssen.

Die iCAN-Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Eva-Lotta Brakemeier und Diplom-Psychologe Stefan Lüttke von der Universität Greifswald ist eine Kooperation von Expertinnen und Experten für Klinische Psychologie und Psychotherapie der Universität Greifswald und der FAU sowie von Expertinnen und Experten für Gesundheitspsychologie der Universität Greifswald.

An dem Projekt sind außerdem die beiden Unternehmen mentalis GmbH und 100 Worte Sprachanalyse GmbH sowie zahlreiche Krankenkassen (AOK Baden-Württemberg, AOK Nordost, AOK Rheinland-Pfalz/Saarland, Bahn BKK, BKK VBU, HEK, Mobil Krankenkasse, Pronova BKK, Siemens-Betriebskrankenkasse, TK) beteiligt. Unterstützt wird das Projekt von 31 Kliniken in Deutschland sowie von Berufs- und Fachverbänden, der Bundespsychotherapeutenkammer und der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention.

An dieser Studie können junge Patientinnen und Patienten zwischen 13 und 25 Jahren teilnehmen, die wegen Depressionen in einer der teilnehmenden Kliniken oder Tageskliniken behandelt werden, ein Smartphone besitzen und bei einer beteiligten Krankenkasse versichert sind.

Website des iCAN-Programms

Quelle: Universität Greifswald

Weitere Informationen:

PD Dr. Philipp Spitzer

Tel.: 09131 85-33001

philipp.spitzer@uk-erlangen.de