Multispektrale Optoakustische Tomografie: Wegweiser Hämoglobin

Abdomen einer Schaufensterpuppe und Bildgebungsbild
Eine FAU-Forschungsgruppe entwickelt ein Verfahren, mit dem sich der rote Blutfarbstoff Hämoglobin in Darmgewebe lokalisieren und quantifizieren lässt. Die Kontrolle von Therapien gegen chronische Krankheiten soll dadurch einfacher werden – und die Chance auf Heilung steigen. (Bild: Thomas Riese/Waldner)

Wo sich Organe entzünden, dort steigt die Durchblutung des Gewebes. Der Organismus schickt in diesem Fall Blutkörperchen, die den roten Farbstoff Hämoglobin in sich tragen, zum Entzündungsherd. Auf der Hautoberfläche lässt sich die Entzündung anhand des Rot-Tons mit bloßem Auge erkennen. Im Körperinnern dagegen werden spezielle Instrumente gebraucht, die die Aktivität des Körpers sichtbar machen.

Mit der Multispektralen Optoakustischen Tomografie (MSOT) steht eine neue Methode für diese Anwendung kurz vor dem Durchbruch. Sie ermöglicht, Hämoglobin nicht nur zu lokalisieren, sondern auch zu quantifizieren. „Mithilfe dieser Technik können wir das Blutvolumen im Gewebe messen und damit zuverlässige Aussagen über den Zustand etwa einer Darmkrankheit treffen“, sagt Prof. Dr. Maximilian Waldner vom Lehrstuhl für Innere Medizin I.

Die MSOT nutzt den optoakustischen Effekt, der auf der Umwandlung von Lichtenergie in akustische Energie (Schall) beruht. Das Prinzip: Moleküle, die in einem sehr hohen Frequenzbereich mit Laserlicht angeregt werden, absorbieren die Energie und strahlen sie anschließend in einem sehr viel niedrigeren, akustischen Frequenzbereich zurück. Anhand des reflektierten Frequenzspektrums lassen sich exakte Rückschlüsse auf einzelne Moleküle und deren zahlenmäßige Zu- oder -Abnahme im Gewebe ziehen. Im Falle des Hämoglobins ist es mithilfe des MSOT-Verfahrens sogar möglich, zwischen sauerstofftragendem (oxygeneriertem) und nicht sauerstofftragendem (deoxygeneriertem) Hämoglobin zu unterscheiden.

Gegenüber anderen Verfahren, die zur Untersuchung von Darmgewebe zum Einsatz kommen, verspricht die MSOT viele Vorteile. Anders als bei endoskopischen Verfahren erfordert sie weder das Sedieren der Erkrankten noch einen Eingriff in seinen Körper. Zudem nimmt die Messung nur wenige Minuten Zeit in Anspruch.

Gegenüber rein optischen Verfahren bietet die MSOT den Vorteil, dass sie bis zu drei Zentimeter, also bis zu 100-mal tiefer in menschliches Gewebe „hineinblicken“ kann. Im Vergleich zu reinen Ultraschall-Verfahren wiederum erlaubt sie, sehr viel genauer hinzuschauen. Die Bestrahlung mit Ultraschall liefert lediglich Informationen über die Struktur des Gewebes. Die Bestrahlung mit Laserlicht dagegen ermöglicht es, einzelne Moleküle zu erkennen.

In der Theorie wurde der optoakustische Effekt schon 1880 beschrieben. Für die Diagnose von Darmerkrankungen aber kam er bis heute nicht zur Anwendung, da es an leistungsfähiger Technik fehlte. Nun aber stehen sowohl die notwendigen Laser als auch die erforderlichen Rechenkapazitäten für die digitale Aufbereitung der Bilder vor Ort zur Verfügung. „Inzwischen gibt es kommerzielle Plattformen, die sich für den mobilen Einsatz in Krankenhäusern eignen“, sagt Waldner. „Sie bieten den gleichen Komfort wie herkömmliche Ultraschall-Geräte. Die MSOT wird damit alltagstauglich.“

Patientinnen und Patienten, die an chronischen Entzündungen des Darms leiden, müssen heute in der Regel mehrere Monate warten, bevor sie sicher sein können, dass die gewählte Behandlungsmethode gegen Krankheiten wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa tatsächlich Erfolg verspricht. Im Zweifel geht dadurch wichtige Zeit für einen notwendigen Therapiewechsel verloren.

Erste Tests, bei denen der Zustand der Erkrankten mithilfe der MSOT überwacht wurde, schüren aber die Hoffnung, die Wirksamkeit von Therapien schon bald mit wenig Aufwand und in sehr viel kürzerer Abfolge zu kontrollieren. In fast allen Fällen führten die MSOT-Messungen zum gleichen Befund wie die anschließenden endoskopischen Untersuchungen. „Bis zu 50 Prozent der Therapien schlagen beim ersten Mal nicht an“, beschreibt Waldner die Herausforderung.  „Es wäre daher ein großer Fortschritt, wenn wir verlässlich und auf einfachem Wege feststellen könnten, ob eine Entzündung schon abgeklungen ist oder nicht.“

von Frank  Grünberg


FAU-Forschungsmagazin friedrich

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