Wenn der Filter versagt

Digitale Darstellung menschlicher Nieren
Bild: peterschreiber.media/Adobe Stock

Über die große Bedeutung eines kleinen Organs

Der wissenschaftliche Blick auf die Niere eines Menschen zeigt eine erstaunliche Leistung: Mit rund 2000 Litern und damit dem Inhalt von fast 17 vollen Badewannen fließen täglich kaum vorstellbare Mengen von Flüssigkeit durch dieses Organ. 200 Liter davon werden filtriert. Dabei werden im Körper noch benötigte und recycelbare Substanzen wie Zucker und Aminosäuren wiederverwendet, ebenso wird ein großer Teil des enthaltenen Wassers zurückgeführt. Schließlich ausgeschieden werden täglich rund zwei Liter Harn und damit gerade einmal ein Prozent der gefilterten Menge, in der reichlich im Organismus nicht mehr benötigte, kleine Moleküle enthalten sind. Daneben hält die Niere auch noch den Wasserhaushalt im Gleichgewicht und kontrolliert mit dem Gehalt kleiner elektrisch geladener Atome wie den Natrium- und Kalium-Ionen auch den sogenannten „Elektrolyt-Haushalt“ und damit auch den Blutdruck.

Kleines Organ mit großer Leistung

Dabei ist das ähnlich einer Bohne geformte Organ gerade einmal zehn bis zwölf Zentimeter lang und wiegt normalerweise nicht mehr als 200 Gramm. Auch wenn Menschen in der Regel zwei Nieren haben, werden diese also nahezu pausenlos erheblich belastet. Vermindern zusätzlich kleine Fehler im Erbgut die Leistungsfähigkeit der bei diesen komplexen Prozessen beteiligten Strukturen oder belasten Krankheiten wie Diabetes und hoher Blutdruck das Organ zusätzlich, können Bereiche der Niere geschädigt werden. Möglicherweise verlieren diese Strukturen am Ende gar ihre Funktion und werden durch ein Narbengewebe ersetzt.

Zunächst machen sich solche Probleme kaum bemerkbar, die beiden Nieren haben genug Reserven. Im Laufe von Jahren und Jahrzehnten aber können sie sich immer weiter anhäufen. Bis schließlich die Leistungsfähigkeit der Nieren meist erst einmal gering beeinträchtigt wird. Leider passiert das oft mit einer Tendenz zu weiterer Verschlechterung bis hin zum Nierenversagen. Um solches Leiden und damit eine regelmäßige und aufwändige Blutwäsche durch Dialyse-Apparate zu vermeiden, versucht die Forschung am Universitätsklinikum Erlangen und an der FAU zunächst einmal die Mechanismen aufzuklären, die diese Prozesse auslösen. Und leider ist man in der experimentellen Forschung auf Tierversuche angewiesen. Solche Untersuchungen braucht man auch, um Transplantationen zu verbessern, bei denen ein versagendes Organ durch eine Spenderniere ersetzt wird.

Gedämpftes Immunsystem

Nach einer solchen Operation erkennt der Organismus das neue Organ häufig als fremd und aktiviert sein Immunsystem, um den vermeintlichen Eindringling abzustoßen. Um diese sehr heftige Reaktion möglichst gut in Schach zu halten, wird schon vor der Operation genau untersucht, wie gut ein zur Verfügung stehendes Organ zu dem Menschen passt, der eine neue Niere benötigt. Das verringert zwar die Abstoßungsreaktion, verhindert sie meist aber nicht ganz.

Mit Calcineurin-Inhibitoren wird daher das Immunsystem gedämpft, um Attacken auf die neue Niere zu verhindern. Das funktioniert zwar eigentlich ganz gut, nur haben diese Wirkstoffe auch Nebenwirkungen – und können fatalerweise das Gewebe des gerade transplantierten Organs schädigen. Da muss die Medizin eine gute Balance finden, mit möglichst wenig Wirkstoff das Immunsystem in Schach zu halten und gleichzeitig diese Nebenwirkungen möglichst gut zu vermeiden. Die Suche nach der besten Dosierung aber sollte nicht an Menschen, sondern lieber in Tierversuchen durchgeführt werden.

Viel hilft nicht immer viel

Meist verhindert man eine solche Abstoßung mit mehreren Mitteln, die gleichzeitig verabreicht werden. Einer dieser Wirkstoffe wurde zunächst aus Bakterien der Osterinsel Rapa Nui isoliert und daher auf den Namen „Rapamycin“ getauft. Nur hatte diese Substanz bei vielen Menschen mit einer gerade transplantieren Niere eine fatale Nebenwirkung: Der Zustand des gespendeten Organs verschlechterte sich zunehmend und die aufwändige Operation drohte zu scheitern.

Untersucht wurde dieses Problem an der FAU mit Versuchen an Ratten, deren Nieren ähnlich wie bei einer Transplantation geschädigt wurden. Dabei zeigte sich, dass Rapamycin nicht nur das Immunsystem bremst, sondern auch das Ausheilen der Schäden verhindert, die das Spenderorgan zum Beispiel erleidet, weil es eine Zeitlang außerhalb des Körpers ist und dort nicht mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Die Versuche zeigen, dass eine geringe Dosierung die Entzündung und das Vernarben der Niere vermindern kann, während das Ausheilen der geschädigten Nierenzellen nicht ausgebremst wird. „Viel hilft also keineswegs immer viel“, beweisen diese Tierversuche – und verbessern so den Erfolg der Transplantationen, für die ohnehin viel zu wenig Spenderorgane zur Verfügung stehen.

Bei diesen Tierversuchen zeigte sich auch, dass Organe von freiwilligen Spendern, die bereit sind, auf eine ihrer Nieren zu verzichten, viel bessere Erfolgsquoten als die Entnahme aus hirntoten Menschen haben. Bei diesen Lebendspenden ist das Organ nämlich viel kürzer von seiner Versorgung abgeschnitten und erleidet daher auch deutlich weniger Schäden.

Schnelltest

Auch wenn die Übertragung von Nieren längst die mit Abstand häufigste Transplantation von inneren Organen geworden ist, sind sich wohl alle Beteiligten einig, dass es viel besser wäre, wenn man auf diese letzte Möglichkeit verzichten könnte. Dazu bräuchte man eine Therapie, die ein Versagen der Funktion der Nieren verhindert. Die Chancen dafür scheinen auf den ersten Blick gar nicht so schlecht zu stehen. Handelt es sich doch meist um eine schleichende Krankheit, die sich obendrein relativ frühzeitig in einem einfachen Schnelltest verrät. Werden mit dem Urin übermäßig viele Eiweiße ausgeschieden, ist oft Gefahr für die Niere in Verzug.

Nur gibt es leider keine Therapie, die eine solche Erkrankung der Nieren an der Wurzel packt. Stattdessen erhalten die Betroffenen Wirkstoffe, die ihre Symptome lindern. Diese Medikamente wirken durchaus, für ein Heilen des langsam fortschreitenden Verlustes der Nierenfunktion aber müsste man die Ursachen und die genauen Vorgänge kennen.

Die Larven der Zebrafische

Genau dabei helfen am Universitätsklinikum Erlangen und an der FAU die Larven von Zebrafischen. Diese kleinen Lebewesen haben winzige Nieren, die den Organen eines Menschen verblüffend ähneln. Zumindest im Hinblick auf das Ausfiltern von überflüssigen und gefährlichen Stoffen. Auf das Aufkonzentrieren des Harns, der ausgeschieden werden soll, verzichten die Nieren der Larven nämlich aus einem guten Grund: Sie schwimmen ja ohnehin im Wasser und müssen daher mit dem Nass nicht übermäßig sparsam umgehen.

Wie ähnlich diese winzige Larven-Niere dem menschlichen Organ ist, zeigen Versuche, bei denen Erbeigenschaften, die für die Struktur dieses Filters wichtig sind, gegen entsprechende Gene eines Menschen ausgetauscht werden. Auch wenn Zebrafische und die Zweibeiner seit hunderten von Millionen Jahren getrennte Wege gehen, funktionieren die menschlichen Erbinformationen in den Fischlarven normalerweise problemlos.

Im nächsten Schritt ersetzt man daher die Fisch-Erbeigenschaft durch sein Pendant aus dem Menschen, das aber eine Mutation trägt, die zum Nierenversagen führen kann. Mit dieser Methode kann man Schritt für Schritt in den Larven der Zebrafische die Ursachen aufdecken, die zu Schäden an den Nieren führen können. Um schließlich Wirkstoffe zu suchen, die solche Probleme verhindern – und so langfristig auch im Menschen Nierenversagen verhindern können. Mit diesen einfachen Wirbeltier-Modellen ist man daher für die Untersuchungen weniger auf Nagetiere angewiesen.

Auswirkungen auf Herz und Kreislauf

Eine chronische Nieren-Erkrankung schädigt nicht nur das Organ selbst, sondern auch das Herz und die Blutgefäße. Tatsächlich sterben viele Menschen dann auch nicht am Nierenversagen selbst, sondern an Problemen von Herz und Kreislauf. Auch hier aber können Tierversuche den Weg zu einer Lösung zeigen. Simuliert man in Ratten ein solches chronisches Nierenversagen, zeigen Ultraschall-Untersuchungen, dass auch das Herz der Tiere ihr Blut schlechter durch die Adern pumpt. Erhalten die Nagetiere dann eine Nierentransplantation, verbessert sich auch die Pumpfunktion des Herzens wieder.

Anscheinend sind die Schäden an Herz und Kreislauf durch ein Nierenversagen zumindest im Prinzip heilbar. Am Universitätsklinikum Erlangen und an der FAU gibt es also gute Gründe, die Faktoren genauer unter die Lupe zu nehmen, die zu solchen Problemen führen. Kennt man die Ursachen, steigen auch die Chancen auf einen Wirkstoff, der diese Probleme unterbindet. Gelingt das, können solche Tierversuche in Zukunft sehr viele Menschenleben retten.

Über den Autor

Roland Knauer ist promovierter Naturwissenschaftler, er lebt und arbeitet als Journalist und Autor mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften in der Marktgemeinde Lehnin. Unter www.naturejournalism.com stellt er sich vor.

Tierexperimentelle Forschung und Tierschutz an der FAU

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